Regen gleich am Morgen - das kam unerwartet. Ich war sofort froh, dass wir uns am Vortag noch zum Klettern aufgerafft hatten, anstatt den Klettertag aufzuschieben.
Nichts zog uns aus dem Van Norbert heraus. Kaffee, Frühstück, Podcast hören, Monats- und Jahresrückblick schreiben: wie gemütlich. Die nächsten Stunden verschwammen, ich war in der Nacht zuvor immer wieder aus dem Schlaf an die Oberfläche des Bewusstseins aufgetaucht und deswegen nicht gut ausgeruht, ein Schleier aus Müdigkeit zog sich über den Tag. Irgendwann bekam ich Hunger, die Verdauungsschwere nach dem Essen zog mich endgültig ins Bett und ich machte ein erholsames Nachmittagsnickerchen.
Unsere Tagespläne hatten sich um das Abholen des Brotes für den Abend und eine Laufeinheit gerankt, und da es aufgehört hatte zu regnen, als ich aus dem Nickerchen erwachte, tranken wir einen Schwarztee zum Ganzwachwerden und machten uns fertig für eine Trailrunde über die Forstwege. Wir liefen denselben Weg wie vor zwei Tagen, aber ein Stück weiter, bis er immer schmaler wurde, von gefällten oder gefallenen Bäumchen übersät war und schließlich im Nichts mitten in einer unheimlichen grauen Wolke endete. Alles bergauf, uff. Auf dem Rückweg schoss es mir einen Kilometer vor Schluss wieder in die Wade, gleicher Muskel, andere Stelle, Mist.
Nach dem Laufen machten wir Katzenwäsche und ich legte mich unter zwei Bettdecken. Im Winter wird mir nach Sport regelmäßig so kalt, dass ich über eine Stunde brauche, um wieder auf Temperatur zu kommen. Weil es immer noch nass war und wieder zu nieseln begann, erbot sich der Prinz, das vorbestelle Brot allein auf dem Rad vom Alimentari im Tal abzuholen; mussten ja nicht gleich beide nass werden. Ich war ihm sehr dankbar. Das Olivenbrot, das er mitbrachte, war köstlich. Richtiges Brot, unüblich, das in dieser Gegend zu bekommen.
Weil ich eh nichts zu tun hatte und das Wetter zu schlecht für Aktivitäten war, machte es mir nichts aus, viel herumzuliegen und auszuruhen. Die schlechte Nacht hing mir noch nach.
Bis sieben warteten wir, um uns das Käsefondue zu machen, das wir aus Deutschland mitgebracht hatten; vorsorglich, denn in Italien haben wir in den letzten Jahren keinen passenden Bergkäse gefunden. Seit Tagen freuen wir uns darauf, und es schmeckte herrlich, aber die Freude war kurz: Noch nicht einmal das erste Teelicht im Stövchen war ganz heruntergebrannt, als das Fondue schon komplett verspeist war. Von 500 g Käse wurden der Prinz und ich... satt, aber nicht übersatt. Die Mägen sind wohl von den Weihnachtsfesttagen noch vorgedehnt.
In einer Regenpause drehten wir eine Runde über den Stellplatz und durchs Dörfchen. Es war ruhig, aber immerhin hatte sich eine kleine Gruppe Italiener:innen um eine Feuerschale gruppiert und feierte, im Dorf hörten wir aus einem Haus Partygeräusche und erstaunlich viele Jugendliche zogen mit Wunderkerzen und Knallfröschen umher. Der Sternenhimmel war klar und beeindruckend und wir standen lange mit zurückgelegten Köpfen auf der Straße und warteten auf Sternschnuppen. Shootingstars, wie ich jetzt weiß.
Dann ging das Warten auf Mitternacht los. Wir spielten vier Runden Gin Rommé, stritten uns wie üblich über die Regeln, der Prinz denkt sich jedes Mal neue aus, um zu gewinnen, das ließ ich ihm nicht durchgehen, er gewann trotzdem. Ich steckte meine knappe Niederlage immerhin würdig weg. Noch eine Stunde lesen... noch eine Stunde rumbringen... und dann endlich: Gutes neues Jahr!
Gehört:
Andreas Eschbach: Freiheitsgeld. Ein unterhaltsamer Kriminalroman, der im Jahr 2064 spielt. Im Mittelpunkt steht der frisch gebackene Ermittler Amad und das sogenannte Freiheitsgeld, das alle Bürger:innen ohne jegliche Gegenleistung erhalten. Dieses Geld reicht für ein Leben ohne übermäßige Ansprüche und hat die Welt in einen ziemlich utopischen Ort verwandelt: Es arbeitet nur, wer mag; riesige Naturschutzgebiete haben das Klima bereits wieder verbessert; Verkehr und Produktion sind komplett automatisiert; Drogen legalisiert; medizinische Leistungen kostenlos. Amad kommt bei seinen Ermittlungen zum vermeintlichen Freitod des greisen Erfinders des Freiheitsgeldes einem Komplott auf die Spur, das eine dunkle Seite des Freiheitsgeldes aufdeckt.
Insgesamt gut zu hören, weil die Geschichte viele Ideen der Jetztzeit aus der woken Blase durchspielt und dabei Vor- und auch Nachteile beschreibt. Paarbeziehungen hält Eschbach aber viel zu simpel: Alle Paare sind hoffnungslos ineinander verliebt und ständig scharf aufeinander, auch nach jahrelanger Beziehung. Gleichzeitig kann ein einmaliges Ausgehen mit einem anderen Mann einen Trennungsgrund aus Eifersucht darstellen. Gähn.
Die Auflösung des Falles beinhaltet eine Verschwörung einer dunklen Macht. Das finde ich wie immer zu einfach, denn in echt sind die Dinge eigentlich immer komplexer. Auch leuchtete mir nicht so ganz ein, warum diese Verschwörung ein Argument gegen den Utopiegedanken des Freiheitsgeldes sein soll, sie ändert nämlich nichts an der Situation, dass es allen Menschen dadurch besser geht als zuvor im Kapitalismus.
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