Sonntag, 7. Januar 2024

Eisbaden

Ich war im Zwiespalt: Früh aufstehen, um den letzten Ferientag auszunutzen? Oder ausschlafen, um den letzten Morgen ohne Wecker auszunutzen? Es wurde ein Mittelding, ich wurde wach, als der Prinz ziemlich früh aufstand, döste/schlief aber noch eine Weile weiter, bevor ich um halb neun ausgeschlafen und wach war.

Es folgten sofortige Emsigkeiten: Urlaubsklamottenwegräumen, Küche aufräumen, Wanderplanung für mein späteres Treffen mit der S., Internet-Recherche. Ich suche momentan eine Aufbewahrungsmöglichkeit für Urkunden, und das gestaltet sich langwieriger als gedacht, vor allem, da ich dem Thema keine große Aufmerksamkeit schenken wollte - ist halt eine Aufbewahrungsmöglichkeit -, aber alles, was ich finde, ist entweder minimal zu klein oder sehr, sehr hässlich. Es zerrt an meinen Nerven, dass ich nun schon zum fünften Mal von einer Webseite zur nächsten surfe und mich nicht entscheiden kann, den passenden, aber hässlichen Kasten endlich zu bestellen.

Ich war für zehn Uhr mit der K. zum online-Meditieren verabredet und da es das erste Mal war, dass wir uns trafen, seitdem mein Laptop die Grätsche gemacht hatte, hätte ich den Link gerne schon frühzeitig gehabt, um alles neu aufzusetzen. Die Technik widersetzt sich aber, ich wurde im Vorfeld der Verabredung zusehends nervös, wie unpassend für eine Verabredung zum Meditieren. Dann klappte die Verbindung aber relativ gut, ich freute mich sehr, die K. wiederzusehen, die mein Alter Ego in Rheinland-Pfalz ist, wie wir immer wieder feststellen. 

Das Meditieren nach langer Zeit, und nach noch längerer Zeit wieder gemeinsam mit jemand anderem, fühlte sich ungewohnt und gut an. Und danach war ich - todmüde. Ganz anders als sonst. Ich hätte mich direkt hinlegen und wieder schlafen können, konnte ich aber nicht, denn ich war ja mit der S. zum Wandern verabredet, und dafür musste ich relativ bald nach dem Meditieren aufbrechen. Seit der Fahrplanänderung ist die Fahrt in die Hersbrucker Schweiz eine ungemütliche Weltreise mit Umstieg und 20-minütiger Wartezeit am zugigen Bahnhof geworden, wahnsinnig ärgerlich, die Verbindung hatte ich bisher gern und oft genutzt.

Es war zapfig kalt, als ich am Bahnhof aus dem Zug ausstieg, und fast noch kälter, als die S. und ich auf den Berg hinauf loswanderten. Es war so kalt, dass sich mein Handy nach einer Stunde blitzentlud. Ich hatte auf Schnee gehofft, aber die winzigen Flöckchen, die durch die Luft schwebten, kamen nicht einmal am Boden an, geschweige denn, dass sie liegen blieben. Aber zum Laufen war das Wetter angenehm, wir durften halt nur nicht stehenbleiben. Von der Landschaft habe ich nicht besonders viel mitbekommen, weil wir die ganze Wanderung über so ins Gespräch vertieft waren.

Beim Blick auf den Happurger Stausee hatte die S. dann spontan die Idee, Eisbaden zu gehen, ich stimmte spontan zu, sie machte einen Rückzieher, ich bestand darauf, sie ließ sich überreden und ich hatte damit nicht gerechnet und hätte am liebsten wieder gekniffen, aber dann standen wir plötzlich in Unterhosen am Seeufer und es gab kein Zurück mehr. Das Wasser war richtig kalt, eiskalt, so kalt, dass es mir die Luft aus den Lungen drückte und ich schreien und prusten musste, die S. zum Glück auch, und als wir nach Sekunden wieder aus dem Wasser herauskamen, war alle Kälte aus unseren Körpern verschwunden und alles prickelte. Das hielt aber leider nicht lange an, schon auf dem Weg zurück zum Auto begann ich zu frieren. Vor allem die Hände wurden so kalt, dass ich den Becher mit dem heißen Tee, den die S. in weiser Voraussicht mitgenommen hatte, kaum festhalten konnte. 

Das Gefühl wurde erst besser, als ich endlich zu Hause war und mich vor das Kaminfeuer setzen konnte, das der Prinz schon angefeuert hatte, und selbst da dauerte es sehr lange, bis mir so warm wurde, dass ich Lust auf einen Becher Eis bekam. Ich vertrug das Eisbaden deutlich schlechter als die S., entweder weil ich zwei Millisekunden länger im kalten Wasser war oder weil sie wimhoft, das konnten wir nicht abschließend klären. Auf jeden Fall war das ein super Start ins neue Jahr und ein würdiger Abschied dieser Winterferien.

Gelesen:

Navid Kermani: Das Alphabet bis S. Der Roman besteht aus blogähnlichen Einträgen, die wie ein realer Blog viel Privates eher andeuten als erzählen, keinem deutlichen roten Faden folgen, sondern eher mäandern. Das lässt der Phantasie einigen Raum, macht es aber gleichzeitig auch schwer, der Erzählung zu folgen. Die Erzählung: Eine Frau in den Vierzigern verarbeitet den Tod ihrer Mutter, pflegt ihren alten Vater, muss mit der Trennung vom Vater ihres 13jährigen  Kindes klarkommen, bei dem auch noch eine schwere Herzkrankheit diagnostiziert wird.

Die Nebenhandlung, die dem Roman ihren Namen gibt, beschreibt, wie die Erzählerin sich durch ihr Bücherregal liest und zwar alphabetisch. Die Zitate und langen Inhaltsangaben der Bücher, für die Handlung irrelevant, fand ich eher ermüdend. Hätte ich das Buch auf Papier und nicht im e-Reader gelesen, hätte ich sie nach dem ersten Drittel übersprungen.
Ich fand es spannend, dass diese Inhalte auch die anderen Bücher nicht interessant machten. Kaum einen der Autoren kannte ich, in einer anderen Rezension fand ich zudem angeprangert, dass nur drei weibliche Autorinnen genannt sind. Ganz anders als das Buch von Elke Heidenreich, die ihr Buch bewusst als Lese-Empfehlungs-Atlas gestaltet und aus dem ich mir viele Bücher notierte.

Ich versuche bewusst, auch Bücher aus anderen Kulturkreisen zu lesen, das kam hier zumindest teilweise durch, da die Erzählerin Iranerin ist, aber seit Jahrzehnten in Köln lebt. Sie bleibt aber das ganze, lange lange Buch hindurch erstaunlich blass und emotionslos. Vielleicht liegt das daran, dass das Buch wohl viele autobiografische Züge hat, der Autor aber ein Mann ist. Warum er diesen Perspektivwechsel in eine anderes Geschlecht für nötig hielt, erschließt sich mir nicht, insbesondere da er der Erzählerin öfters Selbstbeschreibungen in den Text legt, sie sei "ein Mannsweib" oder habe "viel Männliches in sich".

Ein immer wiederkehrendes Motiv sind die Träume der Erzählerin, die in epischer Breite in all ihrer traumeigenen Absurdität und Bedeutungslosigkeit ausgebreitet werden. Irgendwann interessierte mich das Buch einfach gar nicht mehr, ich hatte zwei Drittel durchgehalten, las dann noch die letzten drei Kapitel, und als in denen auch nichts anderes passierte als in den hunderten Seiten vorher, ließ ich es bleiben.


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