Die letzte halbe Stunde vor dem Aufwachen träumte ich, dass ich eine Stunde früher als sonst ins Büro musste, das war aber im Traum nicht mit dem Fahrrad erreichbar, sondern nur per Bus, und der öffentliche Nahverkehr streikte, und im Traum war das eine ausweglose, sehr schreckliche Situation.
Nun ist es in der Realität so, dass ich heute eine halbe Stunde früher im Büro sein musste, um eine eventuell so früh ankommende Sendung in Empfang zu nehmen, und der Streik öffentlicher Verkehrsmittel... nun, dazu brauche ich nichts weiter zu erklären. Gut, dass ich vom Prinzen mit einer Tasse köstlichen Kaffees geweckt wurde und die Sorgen aus dem Traum hinter mir lassen konnte.
Durch den früheren Start weiß ich jetzt höchstwahrscheinlich, wer morgens immer die Aufzugtür zum Treppenhaus offen stehen lässt, was ich bei 0° oder weniger nur so eher eine mittelgute Entscheidung finde. Auch das Straßenbild war ganz anders als sonst, ich geriet offensichtlich in die Zeit des Schulbeginns, denn alles war voller Schulkinder und es war generell viel mehr los als zu meiner üblichen Pendelzeit eine halbe Stunde später.
Ich habe dazugelernt. Das Gravelbike Bolle war heute schon sehr viel besser auf die Fahrt ins Büro eingestellt als noch gestern. Alle Schrauben gut festgezogen, die Tasche richtig eingestellt, ich hatte warme Socken an und nahm nur morgens den Weg über die Schlammpfade, die da noch gefroren und gut befahrbar waren. Am Nachmittag bei der Heimfahrt suchte ich mir härteren Untergrund. Und meinen ersten Beinah-Sturz habe ich hinter mir, als ich fast an einer großen Wurzel hängengeblieben wäre, aber dann doch knapp in ihr vorbeischrammte. Abgesehen davon habe ich unglaublich viel Spaß mit Bolle und liebe es, über jeglichen Untergrund zu brettern, bis es mich von oben bis unten durchschüttelt.
Viel Nachdenken gerade über ein Thema, das in der Familie intensiv diskutiert wird. Im Grunde geht es darum, wie viel jede sich leisten sollte und ob es besser ist, alle Abenteuer mitzunehmen, auch wenn sie teuer sind und vielleicht in die Hose gehen könnten (na gut, sonst wären es ja keine Abenteuer) oder ob es besser sein kann, sie auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben.
Heute hatte ich einen Auswärts-Job, ich fuhr nämlich die Chefin zum Flughafen. Dafür mussten wir einmal quer durch die Stadt und hey, ich merkte, dass ich echt nicht mehr gerne in der Stadt Auto fahre. Alles dabei geht mir auf die Nerven, die Ampeln, die anderen Autofahrer:innen, die Parkplatzsuche. Aber das Auto ersparte es mir, eine Bücherlieferung zu Fuß den Berg zwischen Auffahrt und Büro hinaufzuschleppen - immerhin 325 Kilo, sagt der Lieferschein. Und beim Ankommen sah ich ein interessantes kleines Vögelchen mit einem leuchtend roten Latz, dunkler und kleiner als der von den Rotkehlchen, die ich kenne.
Apropos leuchtend rot: Auf dem Weg vom Flughafen zum Büro habe ich mir einen neuen Lippenstift gekauft und fand ihn sehr hübsch.
Der heilige Trainingsdienstag war heute nicht so vielen heilig, ich war mit dem R. alleine. Dafür ließ sich der R. darauf ein, dass wir uns bei mir um die Ecke trafen und ich mir so das Umziehen auf dem dunklen Parkplatz ersparte. Der Prinz schloss sich uns an, und wir liefen eine schöne Runde, die ich mir ausgedacht hatte; meine aktuelle Lieblingsrunde. Ein paar Matschmeter ließen sich nicht vermeiden, mit den neuen Trailrunschuhen konnte ich die aber super bewältigen. Es war der Testlauf mit der reparierten Stirnlampe - endlich hatte ich einen wirklich guten Grund gehabt, mir mal Sugru zu besorgen, das ich schon lange interessant finde. Das FIMO-artige Material härtet an der Luft aus und soll dann so fest wie Plastik sein. Meine Stirnlampe war an zwei dünnen Stegen so gebrochen gewesen, dass sie nicht mehr an ihrem Band hielt und zumindest bisher überzeugt die Reparatur völlig.
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Gelesen:
Chimamanda Ngozi Adichie: Blauer Hibiskus. Der Roman lag mehrere Monate bei mir herum und ich verschob es immer wieder, ihn zu lesen, weil die Bücherei, kurz nachdem ich ihn ausgeliehen hatte, wegen Renovierung schloss und darum bat, die Bücher möglichst lange zuhause zu behalten. Und ich hatte auch nicht so viel Lust drauf, die Geschichte hörte sich nämlich nach Coming of Age an, und bekanntlicherweise mag ich die nicht besonders. Und dann hat sie mich von Anfang an völlig gefesselt.
Die Erzählerin Kambili ist ein 15-jähriges Mädchen, das gemeinsam mit ihrem Bruder Jaja in Nigeria in einer Familie der oberen Mittelschicht oder sogar Oberschicht aufwächst. Jedenfalls verdient der Vater vergleichsweise sehr viel Geld. Er betreibt neben einer Fabrik eine Zeitung, die als eine der wenigen im Land frei und kritisch auch über die politischen Machthaber berichtet, unterstützt wohltätige Organisationen und seine Mitbürger:innen und ist ein streng gläubiger Katholik. Innerhalb der Familie aber ist er ein gewalttätiger Tyrann, der mit Angst und Liebesentzug regiert. Kambili ist völlig verstrickt in sein System der Kontrolle und Bestrafung, das er "Liebe" nennt und tut alles für seine Anerkennung, aber es ist nie genug.
In den Ferien lernen die Kinder ihre Tante, die Schwester ihres Vaters kennen, die eine freigeistige und mutige Frau ist. Sie nimmt Kambili und Jaja unter ihre Fittiche und stellt sich ihrem Bruder entgegen, soweit sie kann. Von ihr lernen die Kinder, dass eine andere Art zu leben möglich ist und Jaja beginnt, aus dem väterlichen Zwangskäfig auszubrechen.
Das Buch ist toll geschrieben, gespickt mit nigerianischen Ausdrücken und Bräuchen, die ganz selbstverständlich zur Handlung gehören. Der Zwiespalt in der Person des Vaters, der einerseits ein guter Mensch und andererseits ein schrecklicher Vater ist, wird nicht aufgelöst und macht die Person sehr realistisch und Kambilis Liebe zu ihm nachvollziehbar. Auch die zarte Liebesgeschichte zwischen Kambili und einem Priester ist schön und glaubhaft erzählt. Ich habe das Buch in zwei Tagen verschlungen und möchte auf jeden Fall mehr von Adichie lesen.
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