Auf dem Weg in die Arbeit habe ich endlich das Altglas weggefahren, und als ich gerade so schön meditativ am Glascontainer beim Einwerfen stand - Glas aus der Tasche, Deckel aufdrehen, Glas einwerfen, Deckel in die Tasche, Glas aus der Tasche, Deckel aufdrehen, Glas einwerfen, Deckel in die Tasche... - kam plötzlich eine höchst erboste Wespe aus dem Glascontainer heraus auf mich zugeschossen, die ich offensichtlich bei ihren Wespendingen da drin gestört hatte. Zum Glück hat sie mich nicht gestochen, danke, das brauche ich nicht nochmal nach dem Stich in den Daumen kürzlich und den daraus folgenden tagelangen Kalamitäten. Aber sie hat mich direkt an das spannende Buch erinnert, in dem ich mich zur Zeit so festlese und an dessen Handlung ich momentan bei allen Insekten und Tieren überhaupt oft denke, "Blue skies" von T.C. Boyle, in dem es um Insektensterben und den Weltuntergang generell geht und in dem alle immer froh sind, wenn ein Insekt auftaucht, und sei es noch so ein stachelbewehrtes. Wie ich Boyle einschätze, gibt es da auch kein Happy-End mehr, sondern wahrscheinlich eher ein sehr Saddy-End. Das Buch hat mir die S. ausgeliehen, und ich will gar nicht daran denken, was es mit ihr gemacht hat, denn die S. hat bezüglich Weltuntergang sowieso eine weit pessimistischere Einstellung als ich. Ich werde es in unserem Buchclub-Treffen hoffentlich bald erfahren.
Zwischen Erwerbsarbeit und Lauftraining packte ich eine weitere Stunde Erledigungs-Zeugs. Unter anderem war da ein Retourenpaket, das zur Post musste. Nun ist das mit der Post und der Digitalisierung ja so eine Sache: Ich nutze gern die Post&DHL-App, um mir Paketmarken zu kaufen und schätze es sehr, dass ich dafür nicht mehr zu einer Post und mich dort in eine ewige Schlange stellen muss. Bisher konnte ich mit meiner App und dem Paket zur Packstation gehen, dort den QR-Code einscannen und mir die Paketmarke ausdrucken lassen. Die Packstationen in meiner Nähe sind nun aber digitalisiert worden. Das bedeutet: Es gibt keinen Scanner mehr, sondern man kann die Station nur noch mit der App öffnen. Was man nicht kann: Ein Paket einlegen, für das man in derselben App eine digitale Paketmarke gekauft hat. Wie widersinnig - da muss ich jetzt also wieder zurück zum Zwischenschritt, mir die Paketmarke selbst auszudrucken und auf das Paket zu pfriemeln, oder mit dem QR-Code zur Post zu gehen und mich in die Schlange zu stellen. Den Paketshop gleich an der Ecke, der eigentlich nur eine Rumpelkammer war und immer ekelhaft nach kaltem Rauch stank, gibt es offensichtlich nicht mehr, nun ist da drin ironischerweise ein e-Zigarettenshop; ich bin mit meinem Paket also noch eine Ecke weiter zum Lottoladen, bei dem es neben Spielscheinen und Zeitschriften auch Secondhand-Klamotten gibt.
Dann weiter mit der tonnenschweren Tasche voller ausgeliehener Bücher zur Bücherei, wo ich vor verschlossenen Türen stand - Oktober und November wird umgebaut und es ist zu. Mist, die Bücher mussten also mit zum Training. Alles umständlich, aber nun gut, deswegen stapeln sich die Zeugs-Stapel ja eben - wenn es so einfach wäre, sie zu erledigen, wären sie ja längst erledigt.
Es war wunderbarstes T-Shirt-und-kurze-Hosen-Fahrradwetter, das auch abends beim Lauftraining so warm blieb, und ich habe festgestellt, dass ich das erste Mal so spät im Jahr noch mit der ganz kurzen Hose laufen war. Ich hatte nämlich heute die Stirnlampe dabei, weil wir es voraussichtlich nicht mehr bei Helligkeit zurück schaffen würden, und deren Akku stecke ich normalerweise in die kleine Tasche hinten an der Laufhose. Die kurze Hose hat aber hinten keine Tasche. Mit ein bisschen herumbasteln habe ich den Akku auch in dieser Hose verstaut, aber dadurch ist mir aufgefallen, dass die Kombi "Stirnlampe, weil es schon früh dunkel wird" und "kurze Hose, weil es so warm ist" bisher noch nie aufgetreten ist.
Das Laufen war super angenehm, die ganze Gurkentruppe war da und wir haben es immer wieder geschafft, vom traurigen politischen Wahlergebnis und unserer Wut und Verzweiflung über rechte A*löcher abzubiegen und über Nichtigkeiten zu reden (und die Stirnlampe habe ich sehr gut brauchen können bei 80 Minuten Traben, bei denen es bereits nach der Hälfte dunkel wurde). Zum Ausklang gab es in der Vereinskneipe ein alkoholfreies Radler und für den P. ein Hühnchen, das er optisch als "gebratenen Lurch" charakterisierte, weil so platt, und dann vom überfahrenen Lurch zu Leichenfunden und anderen Unappetitlichkeiten kam, so ist das eben, wenn man mit einem Notarzt am Tisch sitzt, der kennt da gar nichts.
Dem Bizeps scheint meine Diclophenac+Ruhe-Kur zu bekommen, er verhält sich ruhig. So spät wie möglich, nämlich erst am Freitag, habe ich ein Kletterdate in der Halle mit der A. und der S. ausgemacht, das wird dann der Stresstest.
Den ganzen Tag über musste ich viel über eine Zwickmühle nachdenken, ich der ich mich befinde, denn ich habe erfahren, dass eine nette Bekannte
in einer schwierigen Situation steckt. Ich könnte mich einmischen,
vielleicht auch tatsächlich etwas bewirken, dazu müsste ich mich aber mitten in die
Schusslinie begeben und würde mir ganz sicher einige - viele -
schlaflose Nächte einhandeln. Außerdem geht mich die Situation
überhaupt nichts an. Zusätzlich habe ich selber eine eigene, ähnlich gelagerte, aber zum Glück
vergleichsweise winzige Baustelle, die mich sehr
wohl etwas angeht und die ich noch nicht angepackt habe. Ich
prokrastiniere also wohl durch die Beschäftigung mit möglichen Wenns und
Fallses, anstatt mein eigenes Zeugs anzugehen, denn auch das Gedankliche Zeugs ist Zeugs, das blockiert, solange ich es mit mir herumtrage, und das wäre ich gerne so bald wie möglich los.Wenn das doch nur so einfach wäre wie mit dem Altglas.
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