Der Tag war sozusagen ein kultureller Rundumschlag. (Nach dem Aufstehen fanden wir zwei Kirchweih-Küchla vor der Tür vor, die der T. von unter uns vom Bäcker mitgebracht und da hin gelegt hatte.) Ihn holten wir wenig später ab und gingen gemeinsam ins jüdische Museum, ein Besuch, den wir ihm zum Geburtstag geschenkt hatten.
Kurzzeitig war ich unsicher gewesen, ob das ein gutes Geschenk war, denn der T. war früher sehr aktiv in einer christlichen Gemeinde und ist das nicht schlimm, dass ich bei Religion sofort an Intoleranz und Feindschaft denke? Denn selbstverständlich hat der T. nie auch nur im Entferntesten Ressentiments gegen den jüdischen Glauben verlauten lassen und hat sich sehr über die Idee mit dem Museumsbesuch gefreut. So abwegig bin ich mit meinen Religion=Feindschaftsgedanken aber doch auch wieder nicht, denn ausgerechnet heute hat Israel Palästina den Krieg erklärt und wie schon der Ukrainekrieg macht mich das völlig rat- und sprachlos und lässt mich ein Stück mehr den Glauben an eine gute Welt verlieren.
Trotzdem läuft alles weiter seinen Lauf, als wir nach einem guten Essen in der Vunderbar (Nr. 35 mit den Frühlingsrollen) heimkamen, war ich ziemlich müde und genoss es, mich nochmal eine Stunde hinzulegen. Ich hatte den ganzen Tag über ein sehr angenehmes kleinstes bisschen Muskelkater, der mich richtig gut einnicken ließ. Dann Aufwachen, Kaffee, nochmal Klavier geübt und schon ging es weiter.
Denn dann habe ich eine Melone getragen. Und zwar auf dem Fahrrad, zur Schwester, und wieso tut man so etwas, wenn nicht, um der nächsten Generation filmkulturelles Basiswissen nahezubringen, und zwar an einem gemeinsamen Dirty-Dancing-Abend. Wir haben uns alle in Schale geworfen, dabei waren Johnny: der Schwager, der hatte es am einfachsten und musste nur ein schwarzes Hemd anziehen und bis zum Nabel aufknöpfen; Casual Baby: die große Nichte; Dancing Baby: die kleine Nichte; Babys Schwester: ich; und, das mag jetzt ein wenig kompliziert sein, Babys Mutter: die Schwester. Und es gab Zwiebelsuppe und ein riesiges Häppchenbuffet und wir mussten lange diskutieren, warum dieser Film so mit den 80ern assoziiert ist, obwohl er doch in den 60ern spielen soll, und ob man sich nun dazu wie in den 60ern oder in den 80ern anzieht. Im Film selber ist das übrigens eine wilde Mischung aus 60er/80er mit viel nackter Haut. Auch wenn ich mich daran erinnere, dass ich beim ersten Mal anschauen enttäuscht war, weil ich mir viel mehr Verruchtheit und, ja, Sex erwartet hatte.
Überhaupt, ich erinnere mich an einige Gelegenheiten, bei denen Dirty Dancing mit dabei war:
• letztes Jahr bei meinem Besuch in Madrid bei der M., als wir beschlossen, dass wir jetzt endlich alt genug sind, um an einem Samstagabend nicht mehr in die Stadt steil gehen zu müssen, sondern einfach gemeinsam auf dem Sofa einen Film gucken können. Das wurde ein sehr gemütlicher Abend, an dem ich zum ersten Mal erfuhr, dass "Mein Baby gehört zu mir" im Original völlig anders lautet, nämlich "Nobody puts my baby into the corner", und ausnahmsweise finde ich da die deutsche Übersetzung echt viel, viel besser.
• zu Studienzeiten, als ich mit meiner damaligen Mitbewohnerin, deren Namen ich leider vergessen habe, obwohl sie wirklich nett und interessant und angehende Tierärztin war, im Morgengrauen von einer Kneipentour zurückkamen und wir beide unbedingt Dirty Dancing schauen wollten und uns dazu eine TK-Pizza machten, die wir vor dem Röhrenfernseher im WG-Flur verspeisten und mit dem Film mitweinten. Von TK-Pizza habe ich mich damals vornehmlich ernährt. Und den Fernseher habe ich in meiner Erinnerung stundenlang in Beschlag genommen, als ich zu stressigen Klausurzeiten mit einer Ärztinnenserie prokrastinierte, die "Für alle Fälle Amy" hieß und von der ich nur noch erinnere, dass Amys Mutter irgendwie eine prominente Rolle spielte. Ich habe auch die Erinnerung, dass ich diese Serie staffelweise wegbingte, aber das kann eigentlich kaum sein, denn damals (sic) war das Fernsehen ja noch analog und es liefen wohl höchstens zwei Folgen nacheinander.
• und der Abend heute gehört sicherlich auch dazu, inklusive Hebefiguren-Versuchen. Und die Nichten mochten den Film sogar.
Danach bin ich durch die Nacht heimgeradelt und habe noch nächtliche Begebenheiten gesehen, unter anderem ein sehr stimmungsvolles Prä-Halloween-Treffen im dunklen Park mit Kerzen und ausgehöhlten Kürbissen und eine dicke weiße Katze, die lautlos über die Straße huschte.
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