Ich wache seit längerem rechtzeitig auf, ohne mir einen Wecker zu stellen. So auch heute: Sogar noch vor sieben war ich wach, drehte mich aber dann nochmal um, bis mir der Prinz eine Tasse Kaffee vor die Nase hielt. Er verabschiedete sich, weil er heute aushäusig unterwegs war, ich wanderte an den Schreibtisch und begann um acht zu arbeiten. Wenn keine größeren Querschläger mehr kommen, dann werde ich das geplante Arbeitspensum diese Woche erledigen können trotz Klettern mit der A. und Aufbruch am frühen Donnerstagabend nach Wien.
Es fügt sich aber auch gerade alles gut, vielleicht werde ich sogar ein wenig übermütig.
Mittags aß ich mit Appetit die zweite Portion des Mealplan-Meals von gestern Abend. Und wie auch schon gestern machte es mich nur für etwa zweieinhalb Stunden satt, dann brauchte ich eine weitere ganze Portion. Ich habe den Eindruck, dass mir das bei den meisten Gerichten von Nisha so geht: Sie sind durchweg ausgesprochen lecker, machen mich aber oft nur für relativ kurze Zeit satt. Das hat den Vorteil, dass ich mich nicht verdauungsmüde fühle hinterher, aber den Nachteil, dass die vier Portionen pro Rezept meist eben doch nicht ganz für vier Portionen reichen.
Am Nachmittag ließ ich neben der Erwerbsarbeit die 4. Etappe der Tour de France laufen, denn heute fuhren sie eine für mich besonders spannende Etappe: Durch Briancon und über den Col de Galibier, denn ich selbst auch schon gefahren bin. Und gar nicht besonders schlimm fand, aber in der Tour fahren die den natürlich nach zwei anderen Bergen und in einer unvorstellbaren Geschwindigkeit, es ist mir bewusst, dass das gar nicht vergleichbar ist. Zugegeben: Es war schwierig, sich gleichzeitig auf die Erwerbsarbeit und die Tour zu konzentrieren, ich switchte ungefähr halbstündig zum Livestream, so bekam ich wenigstens die wichtigsten Momente und schönsten Ausblicke mit.
Wie gut, dass heute heiliger Trainingsdienstag war, denn ansonsten wäre es ein ziemlicher Drinnie-Tag geworden. Aber der tapfere Kern der Gurkentruppe traf sich und wir liefen zur Abwechslung nicht im Wald, sondern am Kanal entlang. Die Mückenplage letzte Woche hat uns den Wald ein bisschen vergällt. Ich persönlich mag das Laufen am Kanal ja, Wasser sehen ist immer gut, mir wird es dabei auch nicht langweilig. Beim Rückweg waren wir dann unerwartet auf der jenseitigen Kanalseite gefangen - da gehen zwar genauso viele Brücken hin wie auf der diesseitigen, aber jenseitig haben sie keine Fußgängerzugänge. Im Grunde freuten wir uns alle, dass wir so durch die Umstände gezwungen wurden, vier Kilometer mehr als die geplanten zehn zu laufen. Zwischendrin vertrat ich mir mal ordentlich den Wunderfuß und konnte einige Schritte nur unter großen Schmerzen laufen. Es wurde aber mit jedem Schritt wieder besser und nach dem Training hatte ich keine Schmerzen mehr. Die Orthopädin sagte nach der OP ganz klar, dass nur Handlungsbedarf besteht, wenn die Schrauben dauerhaft wehtun - also mache ich mir über diese gelegentlichen Vertreter keine großen Sorgen.
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In letzter Zeit lese ich unglaublich langsam, schon so langsam, dass ich froh bin, wenn ich mal ein Buch zu Ende bringe... Das war auch schon anders.
Gelesen:
Anne Reinecke, Leinsee. Ein langsames Buch, das vor allem von Stimmungen lebt. Der Protagonist Karl fährt zum ersten Mal seit Jahrzenten wieder zum Haus seiner Eltern, weil sich sein Vater suizidiert hat. Er tat das, weil die Mutter mit einem vermeintlich tödlichen Hirntumor im Krankenhaus operiert wird. Karl ist in seinen Dreißigern, die Eltern in den Sechzigern, und sie hatten seit Karls Jugend keinen Kontakt mehr. Reinecke erforscht das Drama eines Paares, das so eng und sich selbst so genug ist, dass ihnen ihr Kind - Karl - immer viel, viel unwichtiger war als ihre Liebe. Das fand ich einen originellen und interessanten Aspekt von tiefer romantischer Liebe: Dass sie in ihrer Exklusivität andere verletzen kann. Auf der Erzählebene taucht schon bald ein sonderbares achtjähriges Mädchen auf, das eine sprachlose und magische Beziehung zu Karl knüpft und für ihn schon bald sehr viel bedeutet. Es ist eine Beziehung des gegenseitigen Verstehens und Respektierens und auch diese Beziehung braucht keine anderen Personen, ja, andere stören sie sogar.
Ich habe das Buch gerne gelesen. Es stieß Gedanken in mir an und ließ das Gefühl von Sommertagen auf dem Land in mir entstehen (vielleicht auch unterstützt dadurch, dass es sehr, sehr heiß war, als ich es las). Es gab wenige verstörende Szenen und die Figuren sind alle mehr oder weniger stabil in ihrer Welt. Ist ja auch mal schön.
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