Sonntag, 28. Juli 2024

Arber Radmarathon

Ich schlief erwartungsgemäß schlecht. Träumte mehrmals, dass ich bereits an den Start führe und dort feststellte, dass es erst 2:23 Uhr war (statt 6:30 Uhr, unserem verabredeten Treffzeitpunkt). An dem Punkt mit der Uhrzeit war mein Traum seltsamerweise sehr präzise. Und als dann der Wecker um Viertel vor sechs klingelte, war ich ziemlich gerädert, aber ich kenne das von Sportveranstaltungen, vor denen ich Respekt habe und habe aufgehört, mir darüber Sorgen zu machen. Erfahrungsgemäß ist die Müdigkeit in dem Moment weg, an dem ich am Start stehe - so auch heute.

Die Atmosphäre war von Anfang an toll. Wir sahen vom Van Norbert aus den Start der Tour-A-Fahrer*innen, die die ganz große Runde mit 240 km drehten, und der führte für alle Touren über eine schmale Brücke über den Donaukanal, begleitet von pathetischen Carmina-Burana-Klängen, das war schon toll. Wir trafen relativ schnell unsere Mitfahrer, den R. und die beiden Brüder, und reihten uns in den Starterblock ein. Ich hatte mir Hauen und Stechen erwartet, wie bei einem Wettkampf, dabei war es trotz der mehreren tausend Starter*innen fröhlich, rücksichtsvoll und geordnet. Auch wir starteten für die "kleine" Tour-B-Runde über die Brücke, diesmal im Hintergrund: Der Song ohne Text, der bei der Roth Challenge am Start immer gespielt wird und dessen Band mir partout nicht einfallen will.*

Es regnete übrigens. Es regnete ab sieben und dann für die nächsten vier Stunden, mal mehr, mal weniger, immer sehr nass. Ich hatte zwar eine Regenjacke dabei, verstand aber bald, dass es sich ohne besser fuhr als mit - kalt war es nämlich nicht, und sobald ich einmal gleichmäßig durchnässt war, ging's eigentlich. Irgendwann schwappte das Wasser dann auch in die Schuhe, das war unangenehm, aber alles in allem sehr viel weniger unangenehm, als ich es mir bei der Wettervorhersage vorgestellt hatte. 

Die Fahrt heute fühlte sich zum ersten Mal wieder wie Rennradfahren an. (Naja, ich war seit dem Sturz ja auch nur einmal Rennrad gefahren, am Mittwoch, das war sehr anstrengend; am letzten Sonntag war ich Gravelbike gefahren, das war auch anstrengend gewesen). Es machte viel, viel Spaß, an den Bergen konnte ich reintreten, ohne mich zurücknehmen zu müssen, und auch sonst tat nichts weh. Das machte mich den ganzen Tag euphorisch. Nicht einmal, dass der R. zweimal einen Platten hatte, der arme Kerl, konnte mir die Laune verderben, obwohl wir drei - der Prinz, der R. und ich - durch die langen Reparaturpausen in ein Feld gerieten, das vom Tempo überhaupt nicht mehr mit uns zusammenpasste und wir die meisten in diesem Feld drei- bis viermal überholten; die werden sich auch gefragt haben, warum wir in solcher Geschwindigkeit an ihnen vorbeizogen und dann auf einmal wieder von hinten auftauchten. Bei beiden Pannen hatten wir unheimlich Glück: Bei der ersten hielt nach mehreren erfolglosen Aufpumpversuchen ein Polizist neben uns, der klischeehaft freundlich und hilfsbereit war und - einen Kompressor dabei hatte! Damit konnte der R. austesten, dass nicht etwa er sich beim Pumpen besonders dumm angestellt hatte, sondern dass sein Ersatzschlauch kaputt war. Den zweiten pumpte der Polizist mit dem Kompressor in Sekundenschnelle auf 8 Bar auf. Beim zweiten Platten hatte der R. keinen weiteren Ersatzschlauch mehr dabei (klar, wer nimmt schon mehr als zwei Ersatzschläuche mit? Wer nimmt überhaupt, außer dem R., mehr als einen Ersatzschlauch mit?) und nach kurzem Herumfragen unter den vorbeifahrenden anderen Radler*innen hielt doch tatsächlich einer, der mir seinen Schlauch mit 80mm-Ventil gegen meinen mit nur 60mm-Ventil tauschte. Ab dann hielt der R. bzw. sein Rad durch.

Überhaupt bin ich so froh, dass ich mit dem R. und dem Prinzen zwei so außerordentlich gute Gruppenfahrer habe. Wir harmonierten die ganzen 170 km perfekt miteinander, der Prinz und der R. wechselten sich in der Führungsarbeit ab, ich trat hinterher und an den Bergen manchmal voraus, in den Abfahrten sehr hinterher, aber wir fanden uns immer wieder gut. Die Ausfahrt heute war eine Feuerprobe für mich: 2.500 Höhenmeter in einer Rundtour, heißt: Auch 2.500 Höhenmeter Abfahrt, teilweise mit nassen Straßen, und mit den neuen Laufrädern mit hoher Felge, die extrem seitenwindanfällig sind. Ich fuhr vorsichtiger als vor dem Sturz, aber insgesamt angstfrei. Und die letzte, extralange Abfahrt machten wir im Sonnenschein und bei trockener Straße - das hatten wir uns aber auch verdient! 

Die Brüder hatten sich schon früh abgesetzt, die trafen wir erst im Festzelt wieder, erzählten uns unsere Erfahrungen, aßen, was es gab, uns verabredeten uns für nächstes Jahr wieder. Dann aber für die große Runde, versprochen! Jaja.

Der Prinz und ich machten uns auf den Heimweg und kamen gerade rechtzeitig an, bevor der Prinzenneffe und seine Freundin bei uns klingelten. Die hatten viel zu erzählen, sie fahren gerade in den ersten gemeinsamen Urlaub ohne Eltern, der Neffe hat ebenfalls das Rennradfahren angefangen und ist begeistert. Ich war froh über das Rezept aus dem Speiseplan, dessen Zutaten nur darauf warteten, zusammengeworfen zu werden, und die beiden Gäst*innen steuerten mitgebrachten Marmorkuchen als Nachtisch bei. Wir unterhielten uns angeregt, aber nicht bis sehr spät - ich musste mich einfach hinlegen, die Müdigkeit kickte nach dem Essen dann doch ziemlich rein. Die beiden sind aber so jung, dass ihnen wahrscheinlich jede Bettgehzeit vor 1 Uhr früh vorkommt, da ist auch schon egal. 

Was für ein schöner, schöner Tag. Und morgen ist Montag - ohne dass jemand erwerbsarbeiten muss. Am allerschönsten!

*Nachtrag nach einem Tag Nachdenken: VANGELIS! Natürlich Vangelis. Und Conquest of paradise.

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