Der Prinz ist ein Schelm. Denn wir hatten vereinbart, um sieben aufzustehen, damit wir spätestens um acht aufbrechen könnten zur Ammerndorfer RTF. Er hatte den Wecker gestellt - und zwar heimlich eine Viertelstunde früher, damit wir ja nicht zu spät kämen! Ich merkte es erst, als ich eh schon wach war. Am Vorabend scheint mir eine solche Aufstehzeit immer sehr früh, vor allem, wenn ich nicht schlafen kann so wie gestern, weil spät abends auf einmal ein Feuerwerk loskrachte (das dann sehr schön anzuschauen war. Aber eben auch zu laut, um dabei zu schlafen). Wenn ich dann aber mal aufgestanden bin, finde ich meist, dass das auch noch viel früher möglich gewesen wäre.
Die RTF heute sollte meine Probefahrt nach dem Sturz sein. Ich hatte sie mir ausgesucht, weil ich mich bei einer RTF um nichts kümmern muss - Strecke, Verpflegung - und weil der Prinz die ersten 20 km mit mir fahren konnte und dann auf die große Runde abzweigen, ohne dass ich ihn bremste. Die restlichen 30 km fuhr ich alleine, aber auch nicht ganz, denn auf den RTFs sind ja viele Radfahrer*innen unterwegs und es wird aufeinander geachtet - sollte ich nicht mehr weiterkönnen oder so, wären meine Chancen für Unterstützung also gut gestanden.
Abfahrten | Mein Sturz ist auf einer Abfahrt passiert, wo bei 50 km/h mein Vorderrad blockierte und mich die Fliehkräfte über den Lenker schleuderten. Deswegen waren die Abfahrten heute meine Feuerprobe und, was soll ich sagen, die erste machte es mir schon sehr leicht: eine schön steile Abfahrt, aber übersichtlich und total angenehm zu fahren. Bammel ist da, aber nur so viel, dass ich mir danach gegen das Magenflattern ein Stück Schokolade gewünscht hätte. Mehr nicht. Der Kopf spielte mit, auch physisch, und schmerzte nicht, selbst leichte Erschütterungen steckte er gut weg.
Ich war der dickeren Reifen wegen mit dem Gravelbike Bolle gefahren, um mehr Dämpfung zu haben und das bewährte sich gut. So gut, dass ich bei der Ankunft am Start/Ziel gar nicht lange überlegte, ob ich die restlichen 15 Kilometer mit dem Rad oder mit dem Auto heimfahren wollte: Mit dem Rad natürlich! Auch wenn sich das Ankommen am Van Norbert so richtig wie "Heimkommen" angefühlt hatte, ließ ich ihn in Ammerndorf zurück für den Prinzen. Auf der Strecke nach Hause kam mir an einer Abzweigung urplötzlich die Idee, doch zu graveln, wenn ich schon mit dem Gravelbike unterwegs war, und ich bog kurzentschlossen in den Wald ein und fuhr die letzten Kilometer über eine meiner üblichen Laufstrecken. Ich kam zwar nicht ganz dort heraus, wo ich gedacht hatte, und das ärgerte mich ein wenig (kann es denn sein, dass ich den Wald nach 10 Jahren immer noch nicht in- und auswendig kenne??), aber die Gravelfahrt machte großen Spaß. Mitten im Wald sah ich an einer Stelle ein intensives blaues Schimmern - sah toll aus, auch wenn es sich als profane Mülltüte in einem Abfalleimer herausstellte.
Aber solche Momente der Verbindung zwischen Zivilisation und Natur gefallen mir besonders gut, genauso die Enten, die sich zum Ausruhen und Gucken lieber auf der Straße sammelten als irgendwo an einem Bach oder so.
Beim Heimkommen legte ich mich eine Weile hin; schließlich soll ich ärztlich verordnet vor allem: Ausruhen. Das klappte ganz gut, mir fielen die Augen zu und gingen erst wieder auf, als ein gewaltiger Donnerschlag krachte. Das erklärte auch, warum schon seit geraumer Zeit irgendwo Mülltonnen über Pflastersteine gerollt worden waren, dem Geräusch nach, obwohl doch Sonntag war und wir in der Nähe gar kein Pflaster haben. Das waren wohl die entfernteren Donner gewesen... Mein erster Gedanke galt dem Prinzen, der bei dem Gewitter noch mit dem Rennrad unterwegs war, und so stellte es sich als doppelt gut heraus, dass er mit dem Van Norbert heimfahren konnte und nicht auch noch weitere 14 km im Gewitter Rad fahren musste.
Am Abend passierte ein Mord: nämlich in dem Krimidinner, zu dem die Nachbars-S. in unserer Wohnung geladen hatte. Meine Rolle: Ariane, 20 Jahre, mehr kann ich natürlich verraten, falls irgendjemand da draußen dasselbe Dinner auch einmal spielen möchte. Es kamen jedenfalls die gestern erworbenen falschen Wimpern zum Einsatz, ein Haarfärbemittel gegen meine graue Melierung und von der L.ieblingsnichte empfohlener Nagellack in grün/Glitzer. Zum Dinner gab es Raclette, und der Tisch bog sich unter allem, was wir dafür zusammengetragen hatten. Das Krimi-Spielen war äußerst unterhaltsam! Alle waren von Anfang an in ihrer Rolle, es machte mir unerwartet viel Spaß mal jemand anderes zu sein und die naive Restaurantfachfrau zu verkörpern. Selbst dass das Setting an einem Silvesterabend spielte, wir aber trotz offener Fenster und Türen in der Hitze schwitzten, wurde wegimprovisiert. Der Mörder wurde überführt, der nächste Termin ist vereinbart und morgen treffen wir uns alle noch einmal, um die üppigen Reste wegzuessen.
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