Es ist wieder der 5. des Monats, und Frau Brüllen fragt: Was machst du eigentlich den ganzen Tag (WMDEDGT)?
Ich wache aus unruhigen Träumen auf. Besonders gut geschlafen habe ich leider nicht, denn die N., bei der ich seit gestern zu Besuch bin, hat eine sehr schnuckelige, gemütliche Wohnung mit einem leider sehr ungemütlichen Gästebett.
Beim Aufstützen zum Lesen tut der rechte Oberarm weh. Anscheinend habe ich mir den gestern verrissen, absurderweise nicht beim Klettern oder Bouldern, sondern beim Rucksack heben. Zefix! Da wird mir die Zwangs-Kletterpause wegen Reise in den nächsten Tagen gut tun. (Anm. nach ein wenig Nachdenkens: Wahrscheinlich habe ich mir die Zerrung doch beim Bouldern zugezogen, wo ich mehrmals einen schweren dynamischen Zug mit dem rechten Arm probiert habe. Immer dasselbe. Grmpf.)
Den ersten Kaffee genieße ich im wunderschönen romantisch-verwilderten Garten. Ein Traum. Ich stibitze eine Walderdbeere und feiere die morgendliche Kühle. Gern würde ich mir die Haare zusammenbinden, aber ich kann mein tolles Kletterzubehörtäschchen mit Haargummi, Zehling und Brillenbändchen, das ich erst vorgestern zusammengestellt habe, nicht finden. Das werde ich doch nicht jetzt schon in der Kletterhalle vergessen haben?!
Ich nehme mir die Zeit, in meinem Buch weiterzulesen, werde aber leider in meinem Eindruck von gestern Abend bestärkt, dass das nach den guten ersten 120 Seiten eine ganz sonderbare Wendung nimmt. Eine Nachlese in Internetrezensionen bestärkt diesen Eindruck. Also mache ich stattdessen lieber Yoga, was erstaunlich gut geht, obwohl die Einheit auch die Oberarme beansprucht.
Dann gibt mir die N. Bescheid, sie sei bereit, mich für das Frühstück zu empfangen. Wir frühstücken lange und ausführlich. Wie froh ich um meine erwerbsarbeitsfreien Freitage bin, an denen ich ganz ohne Zeitdruck vor mich hintrödeln kann! Erst zwei Stunden später sind wir bereit für den Aufbruch. Heute Grätzlrunde durch den 8. Bezirk statt meiner üblichen Stadtrunde. Ich hänge extra das Handy an die Steckdose, damit ich unterwegs bloggen und fotografieren kann - und vergesse es dann natürlich dort.
Die Grätzlrunde weitet sich bis in die Innenstadt aus. Wir kaufen auf dem Wochenmarkt ein, kehren in verschiedene Schuh- und Dekoläden ein, bewundern Waren und die anderen Menschen, vor allem die kosmetisch und modisch aufgetakelten Frauen im 1. Bezirk. Zum Abschluss kehren wir auf einen Iced Chai Latte in eine Rooftopbar ein, und danach bin ich froh, wieder in der N. etwas ruhigeres und geschützteres Viertel zurückzukehren. So schön Wien ist: so viele Menschen, die etwas von mir wollen, stressen mich, ständig wurde ich angeredet, gefühlt alle wollen mir etwas verkaufen, die Bettler*innen sind viel zu viele, um allen etwas zu geben und ich fühle mich gleichzeitig viel zu konsum-unlustig und viel zu privilegiert.
Wieder in der N.s Wohnung angekommen, telefoniere ich ausgiebig mit dem Prinzen, der zuhause geblieben ist. Er kann mir den Schreck über die unbekannte Nummer, die mich zweimal versucht hat zu erreichen, nehmen: Es war der Y., nicht etwa irgendwas erwerbsarbeitrelevantes. Und schon ruft mich die N. zum Essen, es ist wie im Urlaub. Ich bin ja auch im Urlaub!
Nach einem reichlichen Teller Nudeln, bei dem ich versehentlich verächtlich über das Gericht "Nudeln" spreche, strecken wir beide eine halbe Stunde die Beine aus und ruhen, dann geht es ins Kino. Hat die N. sich gewünscht: ein Film über Venedig, das wir im Sommer gemeinsam bereisen werden. "Welcome Venice" heißt der und ist ein richtig guter Film, Venedig spielt nur eine Nebenrolle, die aber grandios. Thema ist eine ganz übliche Erbschaftskombination aus drei erwachsenen Kindern, die ein Haus gemeinsam erben und alle verschiedene Vorstellungen darüber haben, was damit passieren soll und ach, es gibt keine richtige Lösung oder aich nur eine, die einen guten Kompromiss für alle darstellen könnte.
Danach habe ich tatsächlich noch einmal Hunger. Erst geraten wir in eine Pub-Meile, die ich ziemlich unsympathisch finde; in mir wirkt auch noch der Film nach, in dem der Über-Tourismus Venedigs durchaus auch thematisiert wurde und Wien hat in diese Richtung ganz deutlich auch Probleme. Die N. weiß aber von den Essensständen, die im Bereich eines riesigen Freilichtkinos vorm Rathaus aufgebaut sind, dorthin schlendern wir und lassen es uns noch mit allerlei Leckereien gutgehen. Am Ende des Tages bekomme ich von meiner Tracking-Uhr einen Pokal für meine Schrittzahl. Schlenderschritte waren das heute, aber doppelt so viele wie sonst.
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