Samstag, 9. Dezember 2023

Escape-Room


Der Tag hat sich angefühlt wie mehrere auf einmal, so viel ist heute passiert. Erst einmal: Ausschlafen. Wie sehr ich das genieße. Über dem ersten Kaffee schrieb ich mir zusammen, was ich alles vorhatte, und angesichts der Liste gab es eigentlich nur eine Option: Sofort anfangen und nicht mehr aufhören, bis wir uns mit den Nachbar:innen zum Escape-Room-Abend treffen würden. Also los ging es.

Neben mehreren Ladungen Wäsche waschen, Bad- und Küchenboden tiefenreinigen, bayerisches Mittagessen (Rotkohl mit Kartoffelklößen) und Ottolenghi-Abendessen (Udon-Nudeln mit Nam-Yim-Dressing) kochen waren weitere Punkte ein Weihnachtsgeschenk in der Stadt besorgen (vor Ort nicht bekommen und online nachbestellt), ein anderes Weihnachtsgeschenk ausdenken, eine Einladung für Januar entwerfen, mich in eine Weiterbildung einlesen. 

Und dann eben der Escape-Room. Den hatten vier Nachbar:innen dem Prinzen und mir zu unseren Geburtstagen geschenkt, weil wir so gerne rätseln. Bisher haben wir schon mehrere Exit-Games in der Kartenversion gespielt, waren aber heute zum ersten Mal in einem realen Raum und entsprechend neugierig. Vorher trafen wir uns bei dem Nachbarspaar von unten zu einem Festmahl, zu dem alle etwas beisteuerten und, wie üblich hatte jede/r für sechs Personen geplant und es gab Unmengen zu essen. Kam aber trotzdem alles weg, bis auf den Stollen, den die S. uns versuchte unterzujubeln, weil sie ihn selbst geschenkt bekommen hatte, aber mal ehrlich: Wer mag Stollen? Der I. stimmte uns mit Weihnachtsliedern auf den Abend ein, ich kann vermerken: Dieses Jahr erst am 10. Dezember zum ersten Mal "Last Christmas" gehört. Das ist spät genug, damit kann ich leben.

Als wir losmarschierten, regnete es nicht; ich erwähne das deswegen, weil es, als wir aus der U-Bahn ausstiegen, in Strömen schüttete. Aus irgendwelchen später nicht mehr nachvollziehbaren Gründen hatten wir beim Losgehen beschlossen, eine nur ungenügende Anzahl an Schirmen mitzunehmen, ich ergatterte einen Platz unter dem großen Schirm der S., die Männer bewiesen sich gegenseitig ihre Wasserfestigkeit und verzichteten ostentativ auf Regenschutz. Was auf 300 Metern bis zum Raum auch gut ging. Lustig: Den Escape-Room überhaupt erst zu finden war selbst eine Schnitzeljagd, denn er befand sich in einer Art Ärztehaus in einem der oberen Stockwerke und war nirgends angeschrieben. Quasi Meta-Werbung. Die Räume waren offensichtlich vorher eine Arztpraxis gewesen, und nicht nur die P., die selbsterklärterweise keine Ironie versteht, sondern auch ich fielen auf den Scherz des Mitarbeiters herein, der behauptete, tagsüber sei das tatsächlich eine Arztpraxis und nur abends werde die Dekoration ausgetauscht und beginne das Escape-Room-Spiel. 

Spätestens im Raum selbst hätte dann klar sein müssen, dass da doch zu viel Deko bzw. Vorbereitung drinsteckte, um alles mal eben nach Feierabend auszutauschen. Er war verblüffend realistisch ausgestattet. Nur eine der vielen Whiskeyflaschen hätten wir im Nachhinein gerne mal geöffnet gehabt um zu testen, was da eigentlich drin war - denn das Flaschenetikett versprach ein Getränk, das, wie ich später vom I. lernte, in echt einen fünfstelligen Betrag kostet, und das war es wohl sicherlich nicht. Oder wenn doch, haben wir uns einen guten Schluck entgehen lassen.

Jedenfalls stellten wir uns anfangs alle sechs ein wenig an und stoben planlos durcheinander, bis wir in den Rätselmodus kamen. Nach und nach spielten wir uns ein, es passierte, was im besten Fall wohl in Escape-Rooms passiert: Bei jedem Rätsel waren das Wissen und die Fähigkeiten einer/eines anderen Mitspielenden gefragt, der J. kannte sich mit Poker aus, der I. hat eine vom Sauna-Aufgießen geschulte Nase für Düfte, der Prinz war forsch genug für unsagbare Dinge; alles war nötig, um den Code zu knacken. 9 Minuten vor der Deadline entkamen wir aus dem Raum, der eigentlich mehrere Räume waren - 23 Minuten und drei Tipps später als die rekordhaltende Gruppe für diesen Raum. 

Die Rekorde stehen am Eingang an einer Tafel und kompetitive Menschen wie mich triggert das gewaltig, auch wenn mir in diesem Fall klar war, dass wir als völlig ungeübte Truppe überhaupt keine Chance hatten, da auch nur in die Nähe zu kommen. Generell liebe ich Wettbewerbe, deswegen kriegen mich diese Exit-Spiele ja auch so, denn ich habe eine/n - wenn auch imaginären - Endgegner:in, gegen den/die ich spielen kann, und schnell muss ich dafür auch noch sein. Auch im Sport motivieren mich Wettkämpfe besonders, da ist jede und jeder anders, viele laufen nur um des Laufens willen und empfinden Wettkämpfe als stressig, mich pushen sie und setzen haufenweise Glücksgefühle frei. (Da fällt mir ein, dass ich mal wieder welche machen sollte - allmählich vertraue ich dem Wunderfuß genug, um einen 10k laufen zu können, und es ist schon viel zu lange her seit dem letzten Lauf-Wettkampf). Na jedenfalls schlug die P. später vor, gleich sofort jetzt schon einen Termin für den nächsten Escape-Room-Besuch festzulegen, ihr hat das Rätseln offensichtlich auch Spaß gemacht und dem Rest der Truppe auch.

Die S. hatte für den Absacker danach eine Kneipe in der Nähe recherchiert, was gar nicht so einfach gewesen war, denn wir befanden uns hinter dem Bahnhof und die Gegend war, wie Großstadtgegenden hinter dem Bahnhof eben so sind: wenig einladend. Gut, dass sie recherchiert hatte, der Regen hatte nämlich kaum nachgelassen und es war viel besser, mit einem festen und nicht zu weit entfernten Ziel durch die Apokalypse zu stolpern als planlos. Und die Kneipe war ein absoluter Volltreffer und mehr als würdiger Abschluss dieses denkwürdigen Abends! Von außen ein ranziges Wirtshaus mit Regenbogenflagge im Fenster, von innen eine opulent-plüschige Queerbar, voll bis auf den letzten Platz, die Stimmung freundlich angeheitert, die Musik eine gute Hintergrundkulisse, der Barmann ein gutgelauntes Unikat, der sich köstlich darüber amüsierte, dass ich "freiwillig keinen Alkohol" trank und für mich die letzte noch nicht abgelaufene Flasche alkoholfreien Weizens unter dem Tresen ausgrub. 

Wir hatten einen richtig guten Abend, bis dem I. einfiel, dass er unbedingt heute noch in die Sauna müsse, so dass wir die letzte U-Bahn des Tages zurück nach Hause nahmen und den guten Abend bei den IP.s zuhause weiterführten. Ich ließ die Sauna ausfallen, weil ich zurzeit so leicht Kopfweg davon bekomme, der Prinz gab sich aber mit dem I. und einem elaborierten Salbei/Grapefruit-Pfefferminze/Zeder-Tonkabohnen-Aufguss alles und machte sich so richtig saunamäßig bettschwer, so dass er im Anschluss nur noch Schlafengehen wollte. Ich begleitete ihn zu einem letzten Tages- oder besser gesagt Nacht-Highlight: Wir weihten die neu montierten Jalousien ein und gingen zum ersten Mal im stockdunklen Schlafzimmer schlafen.

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