Wieder die angenehme Erfahrung, niemanden aufzuwecken, wenn ich morgens früh aufwache. Verkehrte Welt: Sonst ist es immer der Prinz, der vor mir wach ist.
Ich habe mich an den Laptop gesetzt und einige erwerbsarbeitsrelevante Dinge weggearbeitet. Draußen herrschte Weltuntergangsstimmung mit schwarzem Himmel und harschen Windböen.
Den Verband über dem Blutegelbiss habe ich mir erst abnehmen getraut, als noch mehr Familienmitglieder wach wurden. Er hatte aufgehört zu bluten, aber ein dunkelblaues Hämatom hat sich gebildet. Der Bizeps ist besser, obs jetzt am Egel oder an der Schmerzmitteltherapie liegt, kann ich nicht genau sagen.
Bei der heutigen Yoga-Einheit machten auch die Schwiegereltern mit. Ich glaube, Mady hat mindestens einen neuen Fan, wenn ich wieder fahre.
Zur Zeit leben wir hier zu viert, und damit sich nicht nur eine für die Sauberkeit verantwortlich fühlt, habe ich der Schwiegermutter heute meine Hilfe beim Putzen angeboten/aufgezwungen. Das war ihr unangenehm, mir dagegen sehr angenehm, denn kaum kann man in einem fremden Haushalt mehr unterstützen als durch Putzen und Kochen.
Mittags fuhren der Prinz und ich den Schwiegervater zu einem Arzttermin, und während er da drin war, machten wir einen Abstecher in den Supermarkt und überlegten, was wir statt des geplanten Spazierganges durch den Wald machen könnten - das Wetter war immer noch grau, Tendenz zu schwarz. Als der Schwiegervater aber wieder zu uns stieß und erfreut die bewundernde Reaktion des Praxispersonals auf seine Wanderpläne erzählte, war die Frage eh geklärt: Wetter hin oder her, es wurde gewandert. Und sobald wir losliefen, brach die Sonne durch die dunklen Wolken und gab ihr Bestes für einen kalt-sonnigen Herbsttag. Wir drehten die Rittersturz-Runde, der Rittersturz ist einer der geschichtsträchtigen Orte hier, wo es viele wichtige Orte für die deutsche Geschichte gibt.
Mittagessen war vereinbart um... 16:00 Uhr. Südländische Sitten ziehen ein. Nach einem Abstecher in den dm, wo ich endlich Eisentabletten kaufen konnte, kamen wir pünktlich im Schwiegerelternhaus an und wurden mit oberleckeren Nudeln in Pilzrahmsoße verwöhnt. Da warte sogar ich gern lange aufs Essen!
Danach war ich sehr müde, aber der Prinz und seine Eltern hatten zugestimmt, sich von mir mit einer Erwerbsarbeitspräsentation unterhalten zu lassen. Das war für mich ein Testlauf, mit dem ich zufrieden bin, vom Prinzen habe ich hilfreiches Feedback bekommen und jetzt leide ich ganz schlimm unter dem Imposter-Syndrom und bilde mir ein, alles wäre nur aus Glück und dank göttlicher Fügung gut gelaufen, nicht etwa weil ich das Thema tatsächlich beherrsche.
Die zwei Stunden waren auslaugend, ich freute mich auf die Sauna, in die der Prinz und ich uns danach noch legten. Auch wenn es dadurch sehr spät wurde.
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Gelesen:
Mareike Fallwickl: Die Wut, die bleibt. Das Buch wirkt nach, es trifft Themen, die mich sowieso sehr beschäftigen: unsichtbare Carearbeit von Frauen, die das ganze System überhaupt erst am Laufen halten, Privilegien, die das Mannsein mit sich bringt und die von Männern als selbstverständlich hingenommen werden, die elendige Mutterarbeit, die weder von Männern noch von kinderlosen Menschen ernst genommen wird. Das Buch beginnt damit, dass die dreifache Mutter Helene beim Abendessen vom Tisch aufsteht und ohne eine weitere Erklärung vom Balkon in den Tod springt. Erklärung gibt es auch weiterhin keine, sondern ab da erzählt Fallwickl die Geschichten von Helenes Tochter und ihrer besten Freundin Sarah, die mit der Leerstelle in ihrem Leben umzugehen versuchen und sich dabei immer mehr bewusst werden, dass auch sie in dem patriarchalischen System feststecken. Die Tochter Lola wählt einen Ausweg, der zwar für die Leserin befriedigend, aber (leider) auch unwahrscheinlich ist. Und am Ende bleibt tatsächlich Wut, darauf, dass es immer noch so ungerecht läuft in unserer Gesellschaft, darauf, dass wir Frauen nicht genug tun, um dieser Ungerechtigkeit entgegenzutreten, und das ist kein gutes Gefühl.
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