Es ist wieder der 5. des Monats, und Frau Brüllen fragt: Was machst du eigentlich den ganzen Tag (WMDEDGT)?
Um halb acht wecken mich die Kirchenglocken. Im eigenen Bett aufwachen: das ist schön.
Ich mache Kaffee, der Prinz macht Feuer. Es hat nur 17° in der Wohnung, weil wir eine Woche weg waren und die Heizung währenddessen ausgestellt hatten. Der Kaffee aus der Siebträgermaschine, im Bett genossen: herrlich. Als das Feuer deutlich Wärme abstrahlt, ziehe ich vom Bett vor den Kamin um und lese dort eine halbe Stunde weiter.
Dann bestelle ich einen Fotodruck eines Bildes, das wir an unsere Bilderwand hängen möchten. Bis morgen gibt es bei dem Anbieter noch 50 % Rabatt, das möchte ich ausnutzen, denn falls uns das Endprodukt nicht gefällt, haben wir nicht allzu viel Geld dafür ausgegeben. Erst muss das Foto aber gefunden werden, der Prinz hat es vor 11 Jahren auf seiner Weltreise gemacht, seitdem sind die Fotos über verschiedene Computer und externe Festplatten gewandert, zum Glück lassen sie sich aber wiederfinden.
Ich fasse den Beschluss, heute noch laufen zu gehen, und zwar unabhängig vom Wetter, denn die Vorhersage ist für den ganzen Tag unbeständig. Erstmal mache ich eine Yoga-Einheit, ein kräftiger Flow, als Soundtrack das frenetische Sonntagsläuten der Kirche von gegenüber. Ich habe meine Yogamatte vor dem Kamin aufgeschlagen, weil mir beim Start ein wenig fröstelig war, nach kürzester Zeit schwitze ich, es ist viel zu heiß hier. Seit gestern belaste ich meinen Bizeps normal, das heißt, ich trage schwere Sachen und mache Yoga auch mit Armeinsatz, und leider merke ich sofort, dass er wieder beginnt zu schmerzen. Ich bin das echt leid.
Nebenher notiere ich mir die ganze Zeit Dinge, die ich heute noch erledigen will, und es werden immer mehr. Ich räume die Küche auf, unsere Sachen aus den Herbstferien teilweise aus, leere den Putzroboter und treffe dabei im Treppenhaus den J. von unten mit seinem Babysohn und wir schwatzen eine Weile.
Eine Stunde nach dem Müsli, das ich extra gegessen habe, um eine Grundlage fürs Laufen zu haben, ziehe ich mich um; aufgrund des dunklen Himmels mit langer Leggings und langem Shirt. Der Prinz möchte mich nicht begleiten, sondern lieber weiter erwerbsarbeiten, wir diskutieren darüber, wieso Erwerbsarbeit gesellschaftlich so viel wichtiger ist als alles andere, sodass es in jeder Situation als Entschuldigung ausreicht, "arbeiten zu müssen". Wieso reicht es dagegen nicht, "schlafen zu müssen"? Oder "das Klo putzen zu müssen"? Und daran schließt sich die Frage an, ob die Arbeit genauso viel wert ist, wenn sie Spaß macht. Tricky, denn mir macht beispielsweise Haushalt und Kochen viel Spaß, trotzdem erwarte ich dafür entweder große, ehrliche Wertschätzung oder dass der Prinz seinen Teil übernimmt.
Jedenfalls ist es für mich immer gut, vor dem Laufen zu diskutieren und danach mit derselben Person nochmal reden zu können, denn beim Laufen sortieren sich meine Gedanken, meistens werde ich glücklich, ich kann mich besser in die andere Position versetzen, und komme versöhnlicher an als ich losgelaufen bin. So auch heute, ich werde eine Argumentation nochmal durchdenken und eine Aussage von vor dem Laufen zurücknehmen. (Der Prinz wird mir die Entschuldigung leicht machen, denn er könnte ja sagen: Siehste, ich hatte recht. Er wird aber sagen: Danke, dass du dich entschuldigst, es ist mir wichtig, dass du das auch so siehst.)
Ich sehe einen beeindruckenden schwarz-wolkigen Gewitterhimmel, dramatisch angestrahlt von der Sonne hinter mir. Der Fluss und der Weiher haben Gänsehaut von den Windböen. Es sind auffällig viele Läufer:innen unterwegs, wahrscheinlich weil Sonntagmittag ist und ich eine stadtnahe Runde gewählt habe. Es macht großen Spaß, die Kraft beim Laufen zu spüren. Am Ende sind es 11 km mit einem 5:34 Pace, der sich höchst komfortabel angefühlt hat. Mir fehlt in den letzten Jahren ein bisschen der Wettbewerb innerhalb der Gurkentruppe, denn seitdem der P. Herz und der B. Achilles hat, zwischendurch ich Fuß und der H. Oberschenkel hatten, laufen wir eher so, dass der gerade Langsamste das Tempo vorgibt und nicht mehr so, dass alle sich gegenseitig versägen wollen. Das ist zwar gut, denn schließlich ist immer mal wieder jemand verletzt oder malade und es sollen alle ihren Spaß haben, aber zumindest bei mir hat der Kampfgeist doch immer einige Minuten mehr rausgeholt, als ich alleine laufen würde, und das macht schon auch Spaß.
Ich freue mich auf die heiße Dusche und putze im Anschluss Dusche und Bad. Ein dicker Punkt von der To-do-Liste abgehakt! Danach mache ich Grünkern zu den Resten des Kürbiscurrys, die immer noch von der Riesenmenge übrig sind, die ich letzte Woche gekocht und zwischenzeitlich eingefroren hatte. Passt sehr gut, es schmeckt ausgesprochen lecker und der Prinz und ich überlegen beide, noch einen Schuss Schärfe reinzubringen, sind dann aber zu bequem dazu.
Dann lege ich mich eine Weile schlafen; gerade einen Moment, bevor der Wecker klingeln könnte, kommt der Prinz mit dazu und ich schaffe es, ihn im Halbschlaf zu bitten, den Wecker auszustellen. Man sollte das viel öfter tun: sich hinlegen und schlafen, wenn man müde ist. Eine halbe Stunde nach der ausgeschalteten Wecker-Zeit wache ich von selbst mit guter Laune und Energie auf und mache mir einen weiteren Kaffee. Am Wochenende wird über die Stränge geschlagen - es ist schon mein dritter heute!
Am Dienstag habe ich eine wichtige Besprechung in der Erwerbsarbeit. Damit die mir weniger im Kopf herumgeht, setze ich mich eine Stunde an den Computer und sortiere Gedanken dazu, bereite Themen vor. Danach ist es dunkel und ich kann einen weiteren Punkt von der To-do-Liste streichen.
Ich sauge das Wohnzimmer und das Schlafzimmer, starte einen Reinigungsversuch von zwei Ascheflecken - wir haben aus Gründen im Schlafzimmer sowohl einen Kaminzugang, der vom Kaminkehrer alle drei Monate geputzt wird, als auch einen weißen Schurwollteppichboden - und dann mache ich mich fein, denn der Prinz und ich haben heute noch was vor: Ich habe ihm zum Geburtstag Karten für ein Tanztheater geschenkt, und das ist heute Abend. Weil eh nichts zu essen daheim ist und wir Lust drauf haben, gehen wir vorher noch Sushi essen. Gestern bei Houellebecq gelernt: Sushi ist das kleine Schwarze der Gastronomie, geht immer und ist immer schick. Stimme dem nicht ganz zu, liebe aber Sushi.
Wir probieren ein neues Lokal aus. Ziemlich hip, mit den Sushiplatten wird ein Schälchen heißes Wasser mit Nebeleffekt auf den Tisch gestellt, das keine weitere Funktion hat als hübsch auszusehen. Habe ich bisher nur von gelesen, das ist wohl so ein Ding gerade. Das Sushi ist hervorragend, das Lokal voll und direkt gegenüber vom Theater, so dass wir nicht einmal mehr die Räder umparken müssen, sondern einfach rüberspazieren können.
Das Theater ist immer wieder schön, ein Zuckerbäckerhäuschen aus Gold und Stuck. Und das Stück ist faszinierend, ich freue mich total, dass dem Prinzen sein Geburtstagsgeschenk gefällt. Sao Paulo Dance Company, sehr empfehlenswert. Besonders beeindruckend:
- die sehr bewusste Gestaltung der Geschlechterrollen: Es gibt Paarszenen mit zwei Männern; es gibt ein Stück, in dem die Kostüme Oberkörperfreiheit simulieren und die Tänzerinnen so geschickte Tops tragen, dass ihre Nacktheit nicht anders, nicht sexueller wirkt als die der Männer; in einer Szene tragen alle Tänzer genauso wie die Tänzerinnen Röcke. Die einzigen Schuhe, die im Stück vorkommen, trägt ein Mann: goldene Absatzschuhe.
- die unglaublich gute Choreografie: Der Gleichklang der tanzenden Körper wird immer wieder von Störungen unterbrochen, entgegengesetzte Bewegungen Einzelner brechen die Parallelität und machen sie spannend. Manchmal wirken die Tänzer:innen wie ein einziges, amorphes Wesen.
Randvoll mit Eindrücken aus dem Theater, von den Tänzer:innen, der Musik und den Kostümen radeln wir durch die gar nicht so menschenleere, aber extrem windige Fußgängerzone vom Theater heim und freuen uns, dass es nicht allzu spät ist und wir noch zu normalen Zeiten ins Bett kommen.
Das mache also ich so den ganzen Tag 😀
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