Das war ein Ritt heute! Ich bin ganz euphorisch, dass die Chefin und
ich diese Arbeitswoche hinter uns haben und sie noch dazu richtig gut
gemacht haben, es war nämlich schon im Vorfeld klar, dass die Planung
ziemlich straff war.
Den Morgen habe ich gemütlich angehen lassen,
mich mit langer Umarmung vom Prinzen verabschiedet, den ich zu unserem
Leidwesen erst am Montag wiedersehen werde.
Dann habe ich den
Van Norbert, heute bei trockenem Himmel und sogar ein wenig
Sonnenschein, aus der engen Ausfahrt herausgeparkt und die Chefin
abgeholt, um sie zu einem Auswärtstermin in Würzburg zu fahren. Vorher
habe ich noch ein Vorher-Foto von mir gemacht. So sehe ich aus, wenn ich
fein bin, fein war ich, weil ich beim Termin heute wieder dabei sein
durfte :-)
Schon am Vormittag war die A3 so dicht, dass das Navi mich
über die Bundesstraße leitete und ojeoje, das war ein rechtes Gegurke.
Immerhin durch schönste Landschaft, immer noch herbstlich angehaucht,
und da wir mit ausreichend Pufferzeit losgefahren waren, fuhr es sich
entspannt hinter den LKWs her. Ich finde gut, dass ich so viel Fahrübung
mit dem Van Norbert bekomme und er sich bereits gar nicht mehr
besonders dick anfühlt.
Ich war begeistert, wie gut die Chefin im
Termin performte, leider bekomme ich das nur selten zu sehen. Und ich
habe mittlerweile ganz gut meine Rolle darin gefunden. Ich hatte
zwischendurch immer mal wieder die Verkehrslage gecheckt und einige
Stunden wäre eine Rückfahrt über die Autobahn möglich gewesen, bei
unserem Aufbruch schlug das Navi die Strecke aber nicht einmal mehr als
Alternative vor. Also zurück wie schon auf dem Hinweg über die
Bundesstraße mit Kreiseln, Ampeln, Ortsdurchfahrten und vielen langsamen
Lastwägen. Im Auto hörte ich die Nachrichten zum heutigen Bahnstreik
und hoffte, noch per Zug nach München zu gelangen und - es gelang dank
Streik sogar früher als geplant, weil schon einige Stunden vor
Streikbeginn alles durcheinander war, Züge viel zu spät oder anders
fuhren und ich aus Gründen zwei Tickets hatte und naja, lang story
short, ich habe selten so kurz auf Züge gewartet, zufällig konnte ich
jedesmal direkt einsteigen und erwischte eben eine frühere Verbindung
als gedacht. Sogar Zeit für ein Nachher-Foto fand sich: So sehe ich aus,
wenn ich nach einem langen Erwerbsarbeitstag fertig (aber vorfreudig)
in der Bahn stehe.
In München holte mich das Tantchen am Bahnhof
ab, obwohl ich inzwischen groß genug bin, um selbst zur Wohnung zu
fahren, aber ich freue mich jedes Mal riesig, wenn ich am Bahnhof
abgeholt werde. Wir hatten uns schon wieder viel zu lange nicht gesehen!
Ich wurde von ihr und dem JJ. sehr lecker verköstigt und konnte dabei
mal wieder der beiden schönes Geschirr bewundern. Wir tauschten
Familiengeschichten aus: An den Nichten bin ich näher dran und kann aus
dem Nähkästchen plaudern, mit der Verwandtschaft vom Dorf hat sie
Kontakt und ich lausche den Geschichten fasziniert, es kommt mir alles
sehr fremd vor. Außerdem gab's noch ein bisschen was zur Arbeit zu
erzählen, ein anderes bisschen zum Prinzen und noch was zu einer
anderen, und/aber (?) ehrgeizigen 45-jährigen Freundin und plötzlich war
es 22:30. Ich bekam noch einen Kräutertee zur Guten Nacht und wir
lösten die Abendrunde auf, damit ich morgen einigermaßen wach auf den
Weg zum Flughafen gebracht werden kann.
***
Gelesen:
Susan
Sontag: In Amerika. Der Roman spielt Ende des 19. Jahrhunderts in
Polen. Hauptfigur ist die gefeierte und virtuose Schauspielerin Maryna,
die nach einem Zerwürfnis mit dem Theaterdirektor beschließt, ins
gelobte Land Amerika auszuwandern und dort eine Farm auf dem Land zu
bewirtschaften. Zu ihrer Entourage gehören ihr Mann, ein Kind aus erster
Ehe, ein junger Verehrer, ein Dienstmädchen, zwei Ehepaare aus ihrem
künstlerischen Umfeld und zwei Frauen, deren Beziehung zu Maryna sich
mir nicht erschloss. Bis dahin dümpelt die Geschichte vor sich hin, ab
der Fahrt mit Schiff und Eisenbahn nach Amerika nimmt sie an Fahrt auf.
Das Farmprojekt scheitert, der Verehrer wird allmählich zum Liebhaber,
um Geld zu verdienen kehrt Maryna in New York auf die Bühne zurück und
wird auch in Amerika zum gefeierten Star.
Ich habe zuerst die
Essays von Sontag gelesen und vor allem das Buch "Sempre Susan" von
Sigrid Nunez über sie, und ich werde nicht recht schlau aus diesem
Roman. Mich begeistern die schriftstellerischen Kniffe: Die Geschichte
wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt - Marynas, ihres Ehemannes,
des Liebhabers, einer Erzählerin - und Sontag nutzt dafür unter anderem
die Form von Briefen an zurückgeblieben Freunde in Polen oder
Tagebucheinträge. In einer Szene sogar im Schreibfluss wechselnd drei
Perspektiven: Maryna, die Erzählstimme, den Briefbericht, und das ist so
gut gemacht, dass man ohne Erklärung in jedem Satzteil merkt, welche
Stimme gerade spricht. Auch wenn man die Hauptfigur Maryna dadurch gut
kennenlernt, blieb sie mir unsympathisch und schien mir meist recht
oberflächlich.
Ich hatte mir Sontag als eine Frau mit politischer
Meinung vorgestellt, aber in dem Roman kann ich nichts Politisches
erkennen. Außer, diese ganze Auswander-Einfaches Landleben-Geschichte
ist als riesige Allegorie auf die moderne Sehnsucht zurück zu den
Ursprüngen gedacht? Ich verstehe auch nicht, warum Sontag die Geschichte
zeitlich so weit weg ansiedelt. Ihre Essays beziehen sich auf die
Jetzt-Zeit und haben bei mir mehr Eindruck hinterlassen. Damit bin ich
wohl nicht alleine, denn uns Nunez' Bericht weiß ich, dass Sontag
enttäuscht darüber war, dass ihre Essays viel mehr Anklang fanden als
ihr Roman.
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