Mittwoch, 15. November 2023

Ein wahrer Ritt




Das war ein Ritt heute! Ich bin ganz euphorisch, dass die Chefin und ich diese Arbeitswoche hinter uns haben und sie noch dazu richtig gut gemacht haben, es war nämlich schon im Vorfeld klar, dass die Planung ziemlich straff war.
Den Morgen habe ich gemütlich angehen lassen, mich mit langer Umarmung vom Prinzen verabschiedet, den ich zu unserem Leidwesen erst am Montag wiedersehen werde.

Dann habe ich den Van Norbert, heute bei trockenem Himmel und sogar ein wenig Sonnenschein, aus der engen Ausfahrt herausgeparkt und die Chefin abgeholt, um sie zu einem Auswärtstermin in Würzburg zu fahren. Vorher habe ich noch ein Vorher-Foto von mir gemacht. So sehe ich aus, wenn ich fein bin, fein war ich, weil ich beim Termin heute wieder dabei sein durfte :-)
Schon am Vormittag war die A3 so dicht, dass das Navi mich über die Bundesstraße leitete und ojeoje, das war ein rechtes Gegurke. Immerhin durch schönste Landschaft, immer noch herbstlich angehaucht, und da wir mit ausreichend Pufferzeit losgefahren waren, fuhr es sich entspannt hinter den LKWs her. Ich finde gut, dass ich so viel Fahrübung mit dem Van Norbert bekomme und er sich bereits gar nicht mehr besonders dick anfühlt.

Ich war begeistert, wie gut die Chefin im Termin performte, leider bekomme ich das nur selten zu sehen. Und ich habe mittlerweile ganz gut meine Rolle darin gefunden. Ich hatte zwischendurch immer mal wieder die Verkehrslage gecheckt und einige Stunden wäre eine Rückfahrt über die Autobahn möglich gewesen, bei unserem Aufbruch schlug das Navi die Strecke aber nicht einmal mehr als Alternative vor. Also zurück wie schon auf dem Hinweg über die Bundesstraße mit Kreiseln, Ampeln, Ortsdurchfahrten und vielen langsamen Lastwägen. Im Auto hörte ich die Nachrichten zum heutigen Bahnstreik und hoffte, noch per Zug nach München zu gelangen und - es gelang dank Streik sogar früher als geplant, weil schon einige Stunden vor Streikbeginn alles durcheinander war, Züge viel zu spät oder anders fuhren und ich aus Gründen zwei Tickets hatte und naja, lang story short, ich habe selten so kurz auf Züge gewartet, zufällig konnte ich jedesmal direkt einsteigen und erwischte eben eine frühere Verbindung als gedacht. Sogar Zeit für ein Nachher-Foto fand sich: So sehe ich aus, wenn ich nach einem langen Erwerbsarbeitstag fertig (aber vorfreudig) in der Bahn stehe.




In München holte mich das Tantchen am Bahnhof ab, obwohl ich inzwischen groß genug bin, um selbst zur Wohnung zu fahren, aber ich freue mich jedes Mal riesig, wenn ich am Bahnhof abgeholt werde. Wir hatten uns schon wieder viel zu lange nicht gesehen! Ich wurde von ihr und dem JJ. sehr lecker verköstigt und konnte dabei mal wieder der beiden schönes Geschirr bewundern. Wir tauschten Familiengeschichten aus: An den Nichten bin ich näher dran und kann aus dem Nähkästchen plaudern, mit der Verwandtschaft vom Dorf hat sie Kontakt und ich lausche den Geschichten fasziniert, es kommt mir alles sehr fremd vor. Außerdem gab's noch ein bisschen was zur Arbeit zu erzählen, ein anderes bisschen zum Prinzen und noch was zu einer anderen, und/aber (?) ehrgeizigen 45-jährigen Freundin und plötzlich war es 22:30. Ich bekam noch einen Kräutertee zur Guten Nacht und wir lösten die Abendrunde auf, damit ich morgen einigermaßen wach auf den Weg zum Flughafen gebracht werden kann.

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Gelesen:

Susan Sontag: In Amerika. Der Roman spielt Ende des 19. Jahrhunderts in Polen. Hauptfigur ist die gefeierte und virtuose Schauspielerin Maryna, die nach einem Zerwürfnis mit dem Theaterdirektor beschließt, ins gelobte Land Amerika auszuwandern und dort eine Farm auf dem Land zu bewirtschaften. Zu ihrer Entourage gehören ihr Mann, ein Kind aus erster Ehe, ein junger Verehrer, ein Dienstmädchen, zwei Ehepaare aus ihrem künstlerischen Umfeld und zwei Frauen, deren Beziehung zu Maryna sich mir nicht erschloss. Bis dahin dümpelt die Geschichte vor sich hin, ab der Fahrt mit Schiff und Eisenbahn nach Amerika nimmt sie an Fahrt auf. Das Farmprojekt scheitert, der Verehrer wird allmählich zum Liebhaber, um Geld zu verdienen kehrt Maryna in New York auf die Bühne zurück und wird auch in Amerika zum gefeierten Star.

Ich habe zuerst die Essays von Sontag gelesen und vor allem das Buch "Sempre Susan" von Sigrid Nunez über sie, und ich werde nicht recht schlau aus diesem Roman. Mich begeistern die schriftstellerischen Kniffe: Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt - Marynas, ihres Ehemannes, des Liebhabers, einer Erzählerin - und Sontag nutzt dafür unter anderem die Form von Briefen an zurückgeblieben Freunde in Polen oder Tagebucheinträge. In einer Szene sogar im Schreibfluss wechselnd drei Perspektiven: Maryna, die Erzählstimme, den Briefbericht, und das ist so gut gemacht, dass man ohne Erklärung in jedem Satzteil merkt, welche Stimme gerade spricht. Auch wenn man die Hauptfigur Maryna dadurch gut kennenlernt, blieb sie mir unsympathisch und schien mir meist recht oberflächlich.
Ich hatte mir Sontag als eine Frau mit politischer Meinung vorgestellt, aber in dem Roman kann ich nichts Politisches erkennen. Außer, diese ganze Auswander-Einfaches Landleben-Geschichte ist als riesige Allegorie auf die moderne Sehnsucht zurück zu den Ursprüngen gedacht? Ich verstehe auch nicht, warum Sontag die Geschichte zeitlich so weit weg ansiedelt. Ihre Essays beziehen sich auf die Jetzt-Zeit und haben bei mir mehr Eindruck hinterlassen. Damit bin ich wohl nicht alleine, denn uns Nunez' Bericht weiß ich, dass Sontag enttäuscht darüber war, dass ihre Essays viel mehr Anklang fanden als ihr Roman.

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