Nach fast neun Stunden Schlaf bin ich aufgewacht und meine Uhr sagt, die Schlafqualität sei schlecht gewesen und es sei möglich, dass ich heute schneller als sonst ermüde. Hm, hat sich jetzt eigentlich gar nicht so angefühlt. Ich bin sehr neugierig, wie sich das mit der Uhr entwickeln wird und inwieweit ihre Vorhersagen und Messungen mit meinem Körpergefühl übereinstimmen. Sehr spannend finde ich es bisher allemal, groß reinreden lassen möchte ich mir von ihr nicht.
Ganz bewusst habe ich mir eine Morgen-Lesestunde mit Milchkaffee auf dem Balkon gegönnt. Dabei haben mich nicht nur die Wespen in Ruhe gelassen, die seit unserer Rückkehr aus dem Urlaub nur noch sehr spärlich fliegen und sich überhaupt nicht um Menschen kümmern. Sondern ich beobachtete auch eine Meise dabei, wie sie unseren Nistkasten ausführlich inspizierte. Ich wagte kaum zu atmen, um sie nicht aufzuschrecken. Es ist goldig, wie die Meisen so aufmerksam herumgucken und -trippeln. Nisten Meisen um diese Zeit nochmal? Falls ja, würde ich mich jedenfalls sehr darüber freuen, wenn sie zum zweiten Mal dieses Jahr bei uns einziehen würden. Kurze Zeit später besuchte mich noch eine Wildbiene und las ein wenig in meinem Buch mit. Ein entspannter Start in den Tag, an den ich direkt eine Einheit Yoga anschloss, damit das nicht hintenrunterfällt.
Nachdem sich gestern die Aufgaben türmten und verknoteten, folgte heute der Tag, an dem die Puzzlestücke ineinander fallen. Ich danke meinem gestrigen Ich, das alles gut durchdacht und in die Wege geleitet hat. Heute musste ich nur noch abarbeiten und jetzt fühlt sich alles gut eingegleist an.
Am frühen Morgen meldete sich die Schwester und schlug ein spontanes Mittagessen vor. Das machten wir gemeinsam mit J. zu dritt am Markt beim türkischen Stand mit den leckeren Antipasti. Ein Teller für jede/n war fast zu viel. Rund um das Mittagessen erledigte ich gleich noch einige Stadt-Dinge, wo ich schon mal draußen war. Die Schwester ließ sich bereitwillig in den Drogeriemarkt und zum Optikergeschäft schleifen. Bei der Optik war ich mal wieder sehr zufrieden, dass ich meine Brillen damals beim teuren Fachgeschäft gekauft habe. Der Service ist einfach toll, heute bekam ich die Ersatz-Nüpsis für die Aufleger der Brille auf der Nase ohne Berechnung, und sie konnten sogar in ihrer Datenbank mein Brillenmodell nachschlagen und mir die richtigen mitgeben, obwohl ich die Brille nicht dabei hatte. Ins Café zu Schokoladenkuchen begleitete die Schwester mich auch noch, aber dazu musste ich sie nicht groß überreden.
Danach verging der Nachmittag mit Erledigungen. Erst Tomatensoße für das Pizza-Event auf unserem Sommerfest am Sonntag kochen, dann die Bäder putzen und die Wohnung aufräumen, dann die Zutaten für einen lauwarmen Salat morgen vorbereiten, für deren Zubereitung ich morgen während des Flohmarktes keine Zeit haben werde. Außerdem mit der I. ein Geschenk für die E. abstimmen, Flohmarktsachen zusammensuchen, den V. bei der Pizzateigvorbereitung unterstützen.
Ich habe auf dem Balkon noch die nächste Speach aus dem Retreat mitmeditiert, mich dabei wahrscheinlich von einigen Mücken stechen lassen - bin den Mücken aber mit Gelassenheit begegnet und habe mich nicht von ihnen provozieren lassen (Erleuchtung galore). Die Gedanken sind leider sehr abgedriftet, ich konnte der Speach nicht so intensiv folgen, wie ich das gern getan hätte; mein Gehirn fand, es müsse über die Erlebnisse heute und die Planung für morgen nachdenken.
Danach schloss eine weitere tierische Begegnung den Tag ab, die ich aber sehr gern nicht gehabt hätte: Mehlmotten in der Vorratsschublade. Grrrr! Nur wenige Vorräte habe ich offen, also außerhalb von luftdichten Gläsern, aber mit einer dieser Papiertüten habe ich wohl Motten eingeschleppt. Immerhin: Da wenig offen war, war auch nur wenig befallen und wegzuwerfen. Trotzdem wäre ich lieber früh ins Bett gegangen als noch eine Mehlmotteninspektion, Putzaktion und Gang zu den Mülltonnen durchzuführen!
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Gelesen:
Nino Haratischwili: Das achte Leben (für Brilka). Das Buch habe ich vom JJ. zu Weihnachten bekommen und lese im Prinzip seither daran. Es sind nämlich im Grunde acht Bücher (für jedes Leben eines) und insgesamt 1280 eng bedruckte Seiten, die ich immer wieder beiseite gelegt und ein anderes Buch "zwischenreingelesen" habe, bis ich wieder Lust bekam, den Schmöker in die Hand zu nehmen. Er ist ein echter Familienroman, in dem die Ich-Erzählerin Niza das Leben ihrer Vorfahren, angefangen bei ihrer Großmutter Stasia, nacherzählt. Die Familie stammt aus Georgien und der rote Faden, der die Erzählung zusammenhält, ist ein Fluch, der jede trifft, die von der geheimnisvollen Trinkschokolade kostet, deren Rezept von Stasias Vater erfunden wurde und das seither von Generation zu Generation weitergegeben wird. Dieser Fluch stürzt eine der Frauen aus der Familie nach der anderen ins Unglück.
Das Buch ist die Familiensaga, die ich mir auch für meine eigene Familie wünschen würde. Wenn jemand erzählen kann, dann wird jede Geschichte interessant. Die Geschichte ihrer Vorfahren erklärt so viel für das eigene Leben von Niza. Es werden zwar auch die tatsächlichen Ereignisse erzählt und die Umstürze und Wirren Georgiens, vor deren Hintergrund sie sich abspielen, aber viel wichtiger ist es, wie sich die Beziehungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern - hauptsächlich Frauen - entwickeln. Es gibt Geheimnisse, die von einer zur anderen weitergetragen und totgeschwiegen werden; Lieblingsverwandte und andere, mit denen in Hassliebe gekämpft wird. Es gibt lebenslange, unerfüllte Lieben und Gespenster der Toten, die die Lebenden begleiten, aber vielleicht auch nur in deren Köpfen weiterleben. Die Autorin schreibt viel über das Innenleben ihrer Personen, welche Zwiespälte und Kämpfe sie mit sich auszufechten haben. Das alles ist fesselnd, gerade weil die Geschichten erst durch die Erzählung zu etwas besonderem werden und von außen auch ganz banal aussehen könnten. Und, am Rande, hat mir schon auch die Namensähnlichkeit zwischen der Autorin, der Ich-Erzählerin und mir gefallen: Nino, Niza und Nina. Aber auch allen Leser:innen anderen Namens würde ich das Buch unbedingt empfehlen - wenn sie denn dicke Wälzer mögen.
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