Mittwoch, 24. Mai 2023

Wanderung mit besonderen Vorkommnissen

 

J. hatte heute Lehrerdinge zu tun, und so suchte ich mir eine eigene Beschäftigung. Es wurde die Wanderung entlang der Victoria Lines, die ich schon bei der Urlaubsvorbereitung auf meine To-Do-Liste gesetzt hatte. Die ziehen sich von West nach Ost einmal quer über die ganze Insel und sind natürliche Aufwerfungen, die Ende des 19. Jahrhunderts von den Briten zur Festungsmauer ausgebaut wurden.

Laut Reiseführern ist dies eine der schönsten Wanderungen der Insel, aber touristisch ausgenutzt wird sie ganz offensichtlich nicht. Bis ich von Busfahren, Umsteigen, Warten auf den nächsten Bus, von der Endhaltestelle zum Startort laufen zum Finden des eigentlichen Wanderweges kam, waren ganze zweieinhalb Stunden vergangen. Die genaueste Beschreibung des Startpunktes für den Wanderweg, die ich im Internet hatte finden können, lautete: "In Kuncizzjoni bei einer Art Stellplatz für Autos beim Haus dem Pfad folgen." Hm. Von der Ärgerlichkeit des Herumsuchens bekam ich prompt Stresskopfschmerzen, die aber zum Glück dann wieder vergingen, als ich endlich richtig loswanderte.


Der Pfad selber war dann einfach zu finden, denn die Festungsmauer ist ziemlich imposant hoch. Man wandert die ganze Zeit auf dem Sattel der Insel entlang und hat dadurch ständig den weiten Blick auf das Meer. Wie schon an der Amalfiküste bedauerte ich, dass man nicht gleichzeitig auf den Weg und in die Landschaft schauen kann. Das Wandern war richtiggehende meditativ. Nicht nur, weil kein Wegesuchen notwendig war, sondern auch, weil außer mir überhaupt niemand unterwegs war. Dabei war das Wetter optimal: sonnig und leicht diesig, mit einem kräftigen Wind, der für Abkühlung sorgte. 

Auf meinem Meditationsretreat letztes Jahr bekam ich einmal die Aufgabe, ziellos im Wald herumzustreifen. Das fühlte sich anfangs sehr sonderbar an und machte dann aber mehr und mehr Spaß. Seitdem habe ich das aber leider nie wieder geschafft. Ich nehme mir immer ein Ziel vor, auch beim Wandern. Aber teilweise kam das Wandern heute fast ein bisschen da ran, eben weil ich mir keinerlei Gedanken über den Weg machen musste (noch!).

Nach etwa zwei Stunden begannen dann die Vorkommnisse. Und zwar in Form einer schwarzen Schlange, die von einem niedrigen Mäuerchen neben mir direkt auf meine Füße fiel. Das Vieh war bestimmt über einen Meter lang, bockwurstdick und augenscheinlich sehr aufgeregt. Ich konnte nur durch einen Sprung vermeiden, auf sie draufzutreten und meine Instinkte sprangen sofort an: Ich hab richtig geschrien vor Schreck und hatte hinterher noch minutenlang Herzklopfen und Adrenalinrauschen in den Ohren. Die folgenden zwei Kilometer vermutete ich hinter jedem Rascheln am Wegesrand eine neue Schlange und war nicht mehr ganz so entspannt wie vorher.

Nach diesen zwei Kilometern hörte der Weg dann einfach auf. Das macht Malta eh gern mal, dass Fußgängerwege einfach im Nichts enden. Aber der Wanderweg entlang der Victoria Lines? Rechts von mir lag die meterhohe Befestigungsmauer, vor mir ein aktiver Steinbruch. GoogleMaps und komoot waren der Ansicht, dass der Weg auf der anderen Seite der Mauer weiterging. Die hatte aber keine Durchgänge, und so kam ich auf die im Nachhinein sehr dumme Idee, an einer passenden Stelle drüberzuklettern. Und ab da fühlte ich mich wie ein Panzerknacker in einem Comic-Strip, der auf der Flucht ist, über eine unbekannte Mauer klettert und dann im Hundezwinger landet. In meinem Fall genauer gesagt auf einem Hundetrainingsplatz der Polizei. Die Hunde führten sich höllisch auf und waren zu meinem Glück alle in Zwingern, aber die Polizist:innen waren alles andere als amüsiert, als sie mich zum Ausgangstor begleiteten. 

Ich war schon sehr froh, dass ich da heil rausgekommen war. Allerdings gab es auch auf dieser Seite keine Victoria Lines mehr, und nachdem ich bestimmt 40 Minuten durch die Hitze an tosenden Autostraßen ohne Fußgängerweg entlanggegangen war, nahm ich entnervt den nächsten Bus in der Hoffnung, dass der mich irgendwohin bringen würde, wo weitere Busse Richtung Valletta fahren würden. Der Bus hielt dann wegen einer Umleitung um eine Baustelle erstmal gar nicht und brachte mich 20 Minuten lang in die falsche Richtung und dann aber endlich zu einer Bushaltestelle mit den richtigen Linien. Irgenwann kam ich nach dieser anstrengenden Heimfahrt im Hotel an. Also: Fünf Stunden Busfahren für vielleicht 3 Stunden schönes Wandern - so richtig hat sich das nicht gelohnt.

 Dafür gab´s am Abend noch ein Ausgleichsessen in einem ganz schicken Restaurant, das J. und ich an unserem ersten Abend in Valletta entdeckt hatten und dort für heute einen Tisch reserviert hatten. Und es erfüllte alle Erwartungen! Zuerst gab es Kürbissüppchen, dann als Vorspeise Ziegenkäse mit Feigenchutney und Labneh, als Hauptgang gebackenen Kohl, geröstete Karotte und Süßkartoffel-Kartoffel-Schichtlasagne und zum Nachtisch ein Trio aus Schokoladenfondant mit Vanilleeis, Panna Cotta und Walnuss-Cheesecake. Mir hat besonders gefallen, dass das komplette Essen aus offensichtlich regionalen, saisonalen Zutaten zubereitet war und trotz der an und für sich "sehr normalen" Gemüse ausgezeichnet schmeckte. Ich freue mich sehr, dass wir dieses Restaurant entdeckt haben. Sehr zufrieden gesättigt wanderten wir durch das schon wieder recht kühle Valletta nach Hause in unser Hotel.

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