Donnerstag, 18. Mai 2023

Siracusa


Vielleicht ist es Zufall, vielleicht ist es der Ortwechsel, jedenfalls scheint es, als ob heute der Sommer beginnen würde. 

Der Nachtzug von Salerno nach Siracusa war sehr viel komfortabler und moderner als mein erster nach Florenz. Und obwohl alle vier Liegen belegt waren, konnte ich sehr gut schlafen. Meine Mitbewohnerinnen waren aber auch extrem ruhig! Es war,  als würden wir dieses Spiel spielen: "wer sich als erstes bewegt, verliert". Ich bin erst morgens um 5 Uhr durch ein starkes Rumpeln aufgewacht. Wie sich herausstellte, war das die Auffahrt auf die Fähre, die den ganzen Zug (!) vom italienischen Festland nach Sizilien bringt. Weil es eh schon hell war, bin ich gleich wach geblieben und so habe ich im Vorbeifahren  noch den Etna im Morgenlicht gesehen.  Zu dieser Jahreszeit lmmer noch schneebedeckt! 

Siracusa fand ich dann gleich bei meiner Ankunft schon umwerfend. Es erinnert mich total an Madrid, an eine Mischung aus Lavapiés und heruntergekommenem Barrio Salamanca. Sehr unprätentiös, ich fühlte mich von Anfang an richtig wohl hier. Eiben großen Unterschied zu Madrid hat Siracusa allerdings: drumherum liegt das Meer! Meine Familie macht ja gerne Witze über meine Wasserscheu. Aber in echt liebe ich Wasser. Nur halt eben zum Anschauen und Zuhören, nicht so sehr zum Baden. Aber ich könnte stundenlang auf's Meer schauen. 


Das habe ich heute auch getan, denn mein B&B hier ist nicht nur wunderschön, sondern hat noch dazu eine riesige Terrasse mit Blick über die Stadt und weit aufs Meer hinaus. Und außerdem die wohl netteste und hilfreichste Gastwirtin der Welt. Alessandra brachte mir erstmal eine große Kanne starken Kaffee und half mir später mit Recherchen im Bekanntenkreis, Abrufen bei italienischen Hotlines und viel Engagement, eine Busverbindung für morgen nach Pozzallo rauszufinden. Die Fährverbindung nach Malta zu J. ist nämlich wegen der Wetterbedingungen leider von spätabends auf mittags vorverlegt worden, und die einzige Zugverbindung geht um 5:30 Uhr morgens. Dank Alessandras Hilfe kann ich jetzt etwas länger ausschlafen und nehme einen Bus, der zumindest erst um 7 Uhr abfährt.

Den Rest des Tages habe ich lesend auf der Terrasse, in der Strandbar, am Meer und in der Stadt verbracht. Als würdigen Abschluss meines italienaufenthalts hatte ich mir für heute Abend eine Karte für "Medea" besorgt, das in den Ruinen des Amphitheaters aufgeführt wurde. Die Stimmung des Ortes war wunderbar, wie die Sonne hinter den Ruinen des Theaters unterging und erst Mauersegler und später eine vereinzelte Fledermaus über die Bühne flogen. Das ganze Theater wurde von Vogelgezwitscher im Hintergrund untermalt. Ich hatte mir aus irgendeinem Grund eine Art griechische Tragödie erwartet, mit Chor und Musik und viel szenischer Abwechslung. Tatsächlich war das Stück aber eine Theateraufführung. Nun kann ich mit Theater und den großen Gefühlen darin eh nicht so, und die Vorstellung war - natürlich - auf italienisch. Die großen Zusammenhänge habe ich verstanden, aber bei dem Dialogen bin ich natürlich völlig ausgestiegen. Naja, beeindruckend war's trotzdem. Das restliche Publikum bestand übrigens zu etwa 90% aus Schulklassen mit 15 bis 16-jährigen Teenagern. Die sind hier gerade sowieso überall: im Nachtzug reisten auch zwei Klassen mit, und in Pompei gab es ganze Scharen. Anscheinend mache nicht nur ich gerade italienische Bildungsreise, sondern auch die italienischen Schüler:innen müssen das tun ;-).

Ich fand es sehr angenehm, dass auf dem Heimweg vom Theater noch ziemlich viel auf den Straßen los war und ich nicht durch eine menschenleere fremde Stadt zurücklaufen musste. Die meisten Restaurants auf dem Weg waren noch voll. Und auch Eisdielen hatten noch geöffnet – nutzte ich gleich aus, um mir ein großes Zitroneneis mitzunehmen. Als ich noch nach den letzten zehn Cent rumkramte, winkte der Eismann einfach ab und erließ sie mir. Das ist nicht das erste Mal, dass mir sowas passiert. In den letzten Tagen habe ich wirklich außergewöhnlich viel Freundlichkeit und Großzügigkeit erlebt. Ständig bekomme ich irgendwas ein bisschen günstiger, werde auf einen Kaffee eingeladen oder darf irgendwo außerhalb der Öffnungszeiten rein. Und viele nette Begegnungen habe ich jeden Tag noch dazu. Hoffentlich kann Malta da mithalten.

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