Dienstag, 16. Mai 2023

Monticchio-Positano-Bomerano

Was habe ich heute Nacht gut geschlafen! Den brummenden Kühlschrank in meinem Zimmer ich abends noch ausgesteckt, und ich klopfe mir selbst auf die Schulter, dass ich daran gedacht habe ein Handtuch reinzulegen. Das kleine Eisfach ist nämlich über Nacht abgetaut und hätte sonst eine ziemliche Überschwemmung verursacht.

Die Entscheidung, wie ich den heutigen Tag verbringen würde, war nicht einfach. Es hatte die ganze Nacht wie aus Kübeln geschüttet und der Wetterbericht war wirklich gruselig. Auch der Himmel war grau mit Tendenz zu dunkelgrau. Meine Wanderung heute sollte aus zwei Etappen bestehen, wobei ich die erste mit dem Bus hätte überbrücken können. Letztendlich habe ich mich aber doch dazu entschlossen, erst einmal loszuwandern. Im Nachhinein genau die richtige Entscheidung!

Vor dem Hotel bin ich auf der nass-glischigen Straße erstmal ausgerutscht (die Schuhe ohne Profil...) und habe mir ein bisschen das Handgelenk verstaucht. Ein Glück, dass dieser Unfall nicht ein paar Meter weiter in der Via Severo Caputo passiert ist, sonst wäre vielleicht wirklich etwas "schwerwiegend kaputt" gegangen 😀 Nach 20 Minuten gehen kann dann der erste richtig starke Regenschauer runter, und als ich wie ein begossener Pudel am Straßenrand stand, bot mir ein Lieferwagenfahrer ein passagio an. Das habe ich aber dankend abgelehnt, denn 1.) hatte ich mich ja entschlossen, zu wandern und 2.) war mir das doch etwas zu heikel, alleine zu einem Mann in den LKW zu steigen, der mich auch noch bewusst von der Straße auflesen wollte. Lustigerweise habe ich denselben Fahrer dann tatsächlich am Ziel meiner ersten Etappe wieder getroffen und wir haben uns freundlich gegrüßt. Nach diesem ersten Schauer ging es dann aber, und ich konnte lange trocken wandern. In den ersten beiden Stunden heute habe ich sogar mehr Sonne gesehen als gestern am ganzen Tag zusammen!
Der Weg war von Anfang an herrlich, mit Panoramablick über das Meer, die Küste und die Inseln davor. Allerdings war er, wahrscheinlich durch den vielen Regen, ziemlich zugewachsen, so dass ich ständig durch hüfthohe pitschnasse Gräser und Büsche streifen musste – und dementsprechend schnell wieder komplett nasse Beine hatte. Ein paar Mal habe ich mich selber dabei erwischt, wie ich trotz der durchnässten Schuhe noch versuchte, Pfützen auf dem Weg zu umgehen. Das habe ich dann bald aufgegeben, vor allem weil sich der Pfad teilweise in einen strömenden Bach verwandelt hatte.

Ich war schon bald froh, dass ich die Wanderung gemacht habe, denn jetzt ging es auf wunderschönen Pfaden hoch auf die Klippen und durch Wiesen und Wälder. Ich kam ganz gut voran und war genau zur richtigen Zeit am Ziel der ersten Etappe, wo ich den Bus zum Start der zweiten Etappe in Positano nehmen wollte. Und dann passierte, was ich bereits gelesen aber nicht für möglich gehalten hätte: der Bus hielt einfach nicht an und fuhr vorbei. Das macht er wohl oft, wenn er zu voll ist. Und leider fährt er nur jede Stunde.... ein wahnsinnig nettes französisches Pärchen, dass ebenfalls an der Bushaltestelle gestanden war, nahm mich dann im Auto mit nach Positano. Sie hatten vermeiden wollen, dort parken zu müssen, und das aus gutem Grund. Positano war ein einziges Chaos aus Autos und Menschen. Außerdem regnete es inzwischen wieder. Ich hatte eigentlich hier eine Pause machen wollen, aber es war so stressig, dass ich die Flucht nach vorne antrat. Bzw. die Flucht nach oben: denn von Positano kommt man nur auf Treppen heraus, in meiner Richtung führten die bis auf den Gipfel des nächsten Berges. Eine knappe Stunde stieg ich also treppauf. Das war mal anstrengend! Und mein Rucksack fühlt sich heute auch irgendwie schwerer an als gestern. 

Ich hatte den ganzen Tag noch niemanden getroffen und jetzt begann, als letzter Teil meiner Etappe, der berühmte Sentieri Degli Dei. Der muss normalerweise völlig überlaufen sein, aber an einem Regentag und in der anderen Richtung als vorgesehen hatte ich wohl Glück und traf auch hier nur wenige andere Wander:innen. Und dann war da plötzlich am Weg ein urgemütliches Café, in dem der Besitzer mit zwei älteren Herren, wohl seinem Vater und einem Onkel, saß und schnackte. Jetzt machte ich endlich Pause mit einem Espresso und einem Zitronenkuchen. Der Chef zauberte sogar irgendwoher noch einen Heizstrahler, denn er sah mir wohl an, dass mir wegen meiner durchnässten Klamotten kalt war. Und kaum saß ich im Café, kam der wohl größte Regenschauer des Tages herunter! Was für ein Glücksfall.

Der Götterpfad war dann fast nur noch einen Spaziergang im Vergleich zu den vorherigen Pfaden. Aber tatsächlich mit spektakulären Ausblicken. Eigentlich ist es immer derselbe Ausblick, aber mit jeder Kurve und jedem gewonnenen Höhenmeter wird er noch mal ein bisschen schöner. Ich habe wahrscheinlich 20 Mal das selbe Motiv fotografiert. 

Gegen Ende des Weges, als dann Bomerano in Sicht kam und klar war, dass ich es in jedem Fall noch im Tageslicht erreichen würde, war ich doch erleichtert. Außerdem hing die letzte Stunde noch mal eine drohende schwarze Wolke über mit – während es draußen über dem Meer strahlend hell war. Ich gelangte aber im Unterschied zu gestern sogar mit noch trockener Unterwäsche ins Hotel. 

Diesmal habe ich ein tolles Zimmer, mit Teeecke und Keksen und heiser Dusche. Leider auch einem zu aufdringlichen italienischen Betreiber, der sich sehr intensiv danach erkundigte, warum eine Frau wie ich alleine unterwegs ist und mich auch sehr gerne zum Abendessen eingeladen hätte. Abendessen werde ich aber heute alleine hier auf dem Zimmer, und zwar mit den Resten meiner Brotzeit. Ich brauche auf der Wanderung erstaunlich wenig Essen, so dass ich abends immer noch eine gute Portion übrig habe. 

Ich bin sehr froh, dass ich mich für dieses Hotel hier und nicht für ein Glamping entschieden habe. J. weiß, wovon ich rede. Das Glamping wäre strategisch besser gelegen gewesen, weil sich dadurch die Strecke gleimäßiger verteilt hätte. Die Vorstellung allerdings, bei diesem Wetter in einem Zelt im Nirgendwo zu übernachten, mit Selbstversorgung und der Toilette wahrscheinlich irgendwo anders auf dem Grundstück (und wer weiß ob es da eine Dusche gegeben hätte), ist gerade so richtig abschreckend.

Zusammenfassend waren das heute 24 km und 1250 Höhenmeter. Die schwerste Etappe ist geschafft! Mein Wunderfuß macht das alles gut mit, tut nicht weh und ist genauso beweglich wie der rechte. 

Morgen wird erstmal lange ausgeschlafen!

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