Eine übel übergriffige Geschichte habe ich heute von einer Arbeitskollegin gehört, bei der sich mir allerdings ohne jede Frage vor Wut der Magen zusammenzog. Die war wegen einer ihrer Ansicht nach unschönen Kaiserschnittnarbe zum Plastischen Chirurgen gegangen, der sie zwang, sich halbnackt im Ganzkörperspiegel anzusehen und ihm zu sagen, was ihr denn wirklich nicht an ihr gefalle. "Wirklich nur die Narbe? Wie wollen Sie wirklich aussehen?" Und sie schloss sogar mit der Bemerkung, er habe ja da einen Punkt und sie schon fast überzeugt, sich was-weiß-ich absaugen zu lassen.
Leider war die Geschichte von ihr zur Illustration eines völlig anderen Sachverhalts gedacht und der berufliche Kontext völlig unpassend, sonst hätte ich eine sehr deutliche Meinung dazu geäußert, wie völlig daneben ich das Verhalten dieses Mannes finde. Ich musste hart an mich halten, um den Mund zu halten.
Diese Begegnung spielte sich im Büro ab, wo ich heute zum dritten Mal diese Woche war. Apropos Büro: Die Stimmung dort ist plötzlich wieder gut. Als wäre nie was gewesen.
Ich erwerbsarbeitete lange, mit vielen Inhalten, die mich abgrundtief langweilten, aber nun ja. Immerhin war ich danach mit der A. in der Kletterhalle verabredet, das war ein Lichtblick den ganzen Tag durch. Das Wetter gab Klettern an der Außenwand her, ich wollte nach dem Aufwärmen trotzdem nach drinnen, um nochmal in die widerspenstige 7+ im Dach zu gehen; ich bin auch heute wieder an denselben zwei Stellen rausgeflogen und glaube, ich gebe da jetzt auf. Es wurmt mich, dass ich nicht hochkomme.
Die A. ist Augenärztin. Und seitdem ich sie kenne, habe ich Augenprobleme! Gibt's ja gar nicht. Seit immer schon trage ich Brille, seit fast immer schon eine Lesebrille, ein Besuch alle fünf Jahre bei der Optikerin hat bisher locker gereicht, und seit einem Jahr: Jucken, Tränen, komische gerstennkornähnliche Dinge. Ich scheute mich, sie dazu zu befragen, genauso wie ich mich scheue, die anderen Ärzt:innen in meinem Familien- und Bekanntenkreis mit Beschwerden zu behelligen, obwohl ich da eine Schwägerin, einen Schwiegervater und einen Gurkentruppenmitläufer an der Hand hätte. Vielleicht auch aus der eigenen Erfahrung heraus, weil ich mich innerlich jedesmal winde, wenn ich den Satz höre: "Du bist doch Psychologin, sag mal, was kann ich denn da machen?". Erstens, weil psychische Probleme meist nicht mit einem schnellen Tipp abgetan sind. Und zweitens, weil es fast nie um eigene Probleme und Befindlichkeiten geht, sondern meist darum, dass jemand mit einem Kollegen, der Chefin, dem Exmann oder wem auch immer nicht kann und ihm/ihr deswegen eine Diagnose andichtet. Momentan löst "Narzissmus" gerade den Trend "Psychopathie" ab, "Autist:in" bleibt ein Dauerbrenner.
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