Samstag, 10. Februar 2024

Espadelles I

Ich nenne den Tag heute Espadelles "I", weil es bestimmt nicht der einzige an dieser spektakulären Wand bleiben wird!

Die Nacht im Bergdorf war unglaublich still gewesen. Der Prinz und ich schliefen richtig aus - Frühstück gab es eh erst ab neun. Wann brechen die Leute hier denn zum Klettern auf, fragte ich mich? Denn nach diesem eh schon späten Start in den Tag musste ich nach zwei Broten mit Tomate und Käse, einem gekochten Ei, einem Joghurt, einer Orange und zwei Milchkaffees erstmal eine Verdauungspause machen. Bis wir loskamen, war der halbe Vormittag schon rum.

Stellte sich heraus, dass wir trotzdem eher zu den frühen Besucher:innen der Wand gehörten. Ich wandelte auf Pfaden der Erinnerung an meinen ersten Kletterurlaub überhaupt, der vor zehn Jahren an genau dieser Wand stattgefunden hatte. Damals fand ich alles hier toll und war sehr gespannt auf meinen jetzigen Eindruck gewesen. Heute fand ich es noch viel toller. Eine unglaubliche Wand mit einem endlosen Blick über die Berge und Täler, an der der Prinz und ich wahrscheinlich auch in einem kompletten Kletterjahr noch nicht annähernd alles abgeklettert hätten. Sie ist riesig.

Und ganz anders als der Fels zuhause. Ich stieg übermütig gleich im Vorstieg in eine 6a+ ein (naja, viel Leichteres gab es auch nicht) und schaute mich gehörig um ob deren Schwierigkeit. Ziemlich kalt war es außerdem auch, es pfiff ein schneidiger Wind. Nach jedem Einstieg in die Wand stellten der Prinz und ich uns in die Sonne und ließen uns wieder aufwärmen.

Nachdem ich mit der Route fertig war, wanderten wir den Felsriegel entlang bis ans andere Ende, was um die 20 Minuten dauerte, so lang ist er. Die Route, in der ich mich versuchte, war angeblich auch eine 6a+, aber der Einstieg war dermaßen hart, dass ich schon vor dem ersten Haken alle Kraft verpulverte und den Rest nur noch mit Hängen (wörtlich) und Würgen (bildlich) schaffte. Ich prangere das an! Im Laufe des Tages war es obendrein so windig geworden, dass ich einmal ohne Übertreibung in einer Felsnische in der Wand abwartete, bis die Böe vorbei war, aus Angst, aus der Wand geweht zu werden. Auch der Prinz am anderen Ende des Seils konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten. (Später lasen wir, dass Sturmböen mit bis zu 92 km/h gemeldet waren - das war wohl eine davon gewesen).

Es hatte ein Schnuppertag werden sollen, der artete ein wenig aus, und am Ende waren wir beide ordentlich geschafft. Der Wind und die Sonne hatten ihren Anteil daran: In unserer Casa Rural stellte ich fest, dass ich mir einen Sonnenbrand auf Nase und Wangen geholt hatte. Nun habe ich extra eine 50+Sonnencreme mitgenommen, aber am Morgen sah es so wenig nach Sonne aus, dass ich mich nicht eingeschmiert hatte. War ein Fehler gewesen.

Ich genieße es über alle Maßen, in Spanien zu sein, rundherum Spanisch zu hören und zu sprechen, die rote, karge Landschaft zu sehen, hier zudem im wunderschönen, beeindruckenden Naturschutzgebiet Serra de Montserrat zu sein. Hach, einfach ein perfekter Urlaubsstart.

Abgehakt: Margalef, Las Espadelles, Hormiga atómica (6a+) 
Rumgebouldert: Plis Plas (6a+)
 
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Gelesen:

Daniel Schreiber: Zeit der Verluste. Schreiber erzählt in seinem typischen Stil aus Tagebuch und Eintauchen in die Fachliteratur von seiner Trauer über den kürzlich verstorbenen Vater. Er verbringt die Zeit des Buchschreibens in einem Künstlerhaus in Venedig, und so ist es gleichzeitig ein Buch über die Trauer und über Venedig. Ich mag sehr, wie Schreiber Dinge verknüpft und einordnet und sein Erleben in den Kontext von Literatur und Philosophie stellt. 
Der erste Teil fiel mir schwer zu lesen, weil mich die Überlegungen zu seiner Trauer irgendwie sehr trafen. Er lässt dabei auch die irrationalen Dinge nicht weg, die wahrscheinlich jede:r andere für sich behalten würde - zum Beispiel, dass er aus Wut über den Lungenkrebstod seines Vaters selbst wieder zu rauchen begonnen hat. Er fängt wunderbar die Atmosphäre des herbstlichen Venedig ein, ich hatte ständig Bilder im Kopf, wie ich das alles diesen Sommer mit der N. und der M.eistgeliebten Nichte ebenfalls sehen werde. 
Wie schon "Nüchtern" und "Allein" hat mich das Buch beeindruckt und mir sehr gefallen. Es wirkt lange nach.
 

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