Das morgendliche Anziehen nutzte ich dafür, dem Prinzen meine beiden Ideen für das Krimidinner an meinem Geburtstag vorzuführen. Es soll ein 80er-Jahre Yoga-Outfit werden und ich habe vor einigen Tagen im Tauschregal ein wunderbares Batik-Shirt dafür gefunden. Für die Frisur brauche ich noch Inspiration - gut, dass meine Haare inzwischen über schulterlang sind, damit lässt sich schon was Fluffiges machen :-) Vom Tantchen hatte ich gestern für die aufgesteckten Haare ein Kompliment bekommen, obwohl das ja genau die Ausweich-Frisur ist, die ich eigentlich vermeiden will: Es ist einfach zu verlockend, die Haare hochzustecken, wenn sie im Gesicht herumfliegen oder wenn es mit offenen Haaren zu warm wird. Dafür brauche ich mir allerdings ja nicht die Haare lang wachsen zu lassen, wenn ich sie dann immer zusammenstecke.
Ich erledigte die Vorbereitungen für den Speiseplan dieser Woche. War diesmal nicht besonders viel, wahrscheinlich, weil ich die Hülsenfrüchte schon gestern gekocht hatte, das hatte auch schon zur Vorbereitung gehört. Hülsenfrüchte sind ein fester Bestandteil bei Nishas Speiseplänen, und wir haben leider ein Hülsenfrüchteproblem im Hause Traveling, und zwar das übliche: einmal akustisch, einmal olfaktorisch, also alles dabei. Ich möchte auf Hülsenfrüchte keinesfalls verzichten, sie machen satt und sind unsere vorrangige Proteinquelle, also werde ich mal die Tipps zur Verdauungsföderlichkeit, die so im Internet stehen, kontrolliert ausprobieren und auf Zielerreichung prüfen. Dieses Mal habe ich schon beim Einweichen Natron zu den Linsen, schwarzen Bohnen und Kichererbsen getan, lange eingeweicht (24 Stunden), danach gut abgespült und zu den Kichererbsen auch beim Kochen zusätzlich einen Teelöffel Natron zugegeben. Erstes Ergebnis: Die Hülsenfrüchte zerkochen sehr viel mehr als sonst, bis zu einem Matsche-Grad, der mich überrascht hat. Gut, dass diese Woche zumindest die Kichererbsen eh zu Hummus püriert wurden.
Nach der Essenvorbereitung fuhr ich mit T.s Auto die monströsen Pappkartons zum Recyclinghof, in denen das Terrassensofa verpackt gewesen war. Sie passten gerade so in das kleine Auto hinein. Beim Rausgehen aus der Einfahrt Verwunderung: Die gelben Tonnen waren weg. Also verschwunden, nicht an ihrem Platz in der Einfahrt, nicht vor dem Tor zur Leerung, sondern nirgends. Vor den benachbarten Häusern standen auch keine gelben Tonnen - mysteriös. Dafür lag vor dem Hoftor ein glitzernder Konfetti-Schmetterling, den ich als Freudentupfer mit ins Auto nahm. Ich glaube nicht, dass die beiden Vorkommnisse in Zusammenhang stehen, hatte auch keine Zeit (und keine Anhaltspunkte) nachzuforschen, ich hatte schließlich eine Mission. Wundern tat ich mich aber schon.
Im Recyclinghof war ziemlich viel los, vier Autos standen vor mir in der Schlange und ich musste mir wieder einen halbwitzigen Witz vom Einweiser anhören; ich schwanke immer zwischen Freundlichkeit, denn es ist ja nett gemeint, dass er zu jeder Besucherin einen Spruch loslässt, und Augenrollen, weil die Sprüche einfach wirklich sehr, sehr unlustig sind. Immerhin arbeitet der Giftzwerg nicht mehr hier, der war während der Ausbauzeit unserer Wohnung, als ich regelmäßige Besucherin des Recyclinghofs war, sowas wie der Aufseher und nahm es offensichtlich jedem Menschen persönlich übel, dass er arbeiten, sprechen und überhaupt existieren musste und ließ eine das auch deutlich spüren. Die jetzigen Mitarbeiter sind sichtlich entweder Alkoholiker oder haben andere deutliche Probleme, sie sind dabei aber nett. Ich denke, das macht den Tag und die (sicherlich nicht immer angenehme) Arbeit auf dem Hof für alle leichter.
Der Pflichtteil war damit abgehakt, und ich konnte mich dem Haupt-Tagespunkt zuwenden, nämlich dem Weiterbauen des Kochbuchregals. Es gibt Schritte, die können nur zu zweit durchgeführt werden und solche, die der Prinz unbedingt selbst machen will; der war aber heute beruflich verhindert, daher werkelte ich alleine ein wenig vor mich hin, machte Probeschnitte und Vorbereitungen für das spätere Zusammenleimen und Ölen der Platten. Die Nachbars-S. beendete meine Werkelei, indem sie auf einen Kaffee heraufkam und das neue Sofa probesasß. Leider hatte ich den Zwetschgenkuchen, für den ich gestern in der Fränkischen Schweiz unverhältnismäßig riesige Zwetschgen gekauft hatte, noch nicht gebacken - die Nachbars-S. hatte jedoch selbst Kekse dabei. Nach dem Klatsch besuchten wir noch Sladko-Katerchen im Erdgeschoss, der mittlerweile schon sehr mutig ist, unter dem Sofa hervorkommt und uns 10 Minuten lang in Angst und Schrecken versetzte, weil er sich so versteckte, dass wir ihn in den drei Zimmern, die er bewohnen darf, nicht mehr finden konnten. Er hatte sich vor dem Glaser erschrocken, der an der Tür klingelte, über die Gegensprechanlage aber nicht sagte, dass er der Glaser von nebenan war, sondern nur vehement nach dem Lehrer verlangte (der normalerweise in der Erdgeschosswohnung wohnt, wenn er nicht in Urlaub ist wie jetzt gerade) und nach einem Kleiderbügel. Ich wurde aus dem allem nicht schlau und ging vor die Türe, um herauszufinden, wer denn da stand (erst da wurde klar: der Glaser) und was er wollte (einen Probe-Kleiderbügel, um den Durchmesser einer Stange zu testen, die er zu einer Garderobe umbauen wollte). Wieso ein Glaser eine Garderobe baut, fragte ich mich in dem Moment dann schon nicht mehr. Bei der ganzen Aktion waren jedenfalls die Türen zeitweise offen und Sladko-Katerchen hätte entwischen können. War er aber ja zum Glück nicht.
Nach der Katzen-Aufregung buk ich dann doch endlich den Zwetschgenkuchen zur Nervenberuhigung, während der Prinz einen FTP-Test abfuhr. Um nicht in Gefahr zu geraten, den Test ebenfalls durchführen zu müssen/wollen, aß ich einen großen Wrap mit Linsensalat und zwei Stück Kuchen, bevor er fertig war - mit so vollem Bauch kann ich selbst-ver-ständlich keinen Leistungstest mehr fahren. Es pikt mich allerdings schon die Neugier, wie viel Watt ich herausfahren könnte, und bald werde ich den Test auch machen - auch wenn ich weiß, dass das ultra-anstrengend wird. Apropos erreichte Sport-Ziele: In letzten Zeit ist es mir unangenehm oft passiert, wenn ich von meinen sportlichen Aktivitäten erzählt habe, dass Männer - und es sind immer Männer, immer sehr viel älter als ich - das, ohne weiter darauf einzugehen, als Stichwort nahmen, um umgehend lang und breit mit ihren eigenen Leistungen zu prahlen. Die natürlich immer viel schneller, härter, gefährlicher waren als meine, und meist 35 Jahre zurückliegen. Gähn. Inzwischen überlege ich mir besser, wo ich das Thema Sport aufmache, weil mich solche Reaktionen unangenehm langweilen.
Später wurde ein Sauna-Beschluss gefasst, und der Zwetschenkuchen kann froh sein, wenn er zumindest in kleinen Teilen den morgigen Tag noch erlebt. Selber schuld - mit Streuseln und Sahne, wer soll sich denn da beherrschen?
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Gelesen:
Dörte Hansen: Zur See. Es geht um die Familie Sanders, die auf einer kleinen Nordseeinsel lebt, schon seit Generationen. Die drei Kinder sind erwachsen, jedes hat auf seine eigene Art Probleme mit dem Leben, der Vater hat sich aus dem Familienleben in eine Vogelbeobachtungsstation zurückgezogen und die Mutter überdeckt alle Gefühle mit Emsigkeit. In Seitensträngen wird auch das Leben des Inselpfarrers beschrieben. Immer Thema ist die Übernahme der Insel durch Tourist*innen, die die eigentlichen Inselbewohner*innen eigentlich schon verdrängt haben und sich gar nicht bewusst sind, dass sie das, was sie suchen, selbst zerstören: Denn sie bekommen nur noch eine Kulisse geboten. Das eigentliche Leben der Inselbewohner*innen wird vor ihnen versteckt, um einen winzigen Rest privates Leben zu behalten. Ein sehr aktuelles Thema, das zur Einbettung einer fesselnden Familiengeschichte dient. Hansen fängt die Stimmung der Nordsee wunderbar ein, ich glaubte, den Wind und die Rauheit der Gegend zu spüren, obwohl ich die Nordsee überhaupt nicht kenne. Das gelingt ihr sicherlich auch durch die nordisch eingefärbte Sprache - allein schon die Namen: Eske, Ryckmer. Die Figuren der Familie gingen mir nah und ich fühlte und litt mit ihnen. Ein einfühlsames, starkes Buch.
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