Samstag, 17. August 2024

Messungen, Vermessungen

Gestern Abend hatte ich einen Anruf bekommen, der mich sehr froh gemacht hat. Ich hatte nämlich meinen Terminkalender bei der Holzzuschnitts-Theke vergessen, in dem ich die Abholnummer für die Bestellung notiert hatte. In meinem Terminkalender ist mein ganzes Leben drin, ich habe den "Guten Plan" schon seit mindestens sechs Jahren und habe ihn noch nie irgendwo vergessen, und umso glücklicher war ich, dass sich jemand die Mühe machte, die vorne notierte Telefonnummer anzurufen und mich zu benachrichtigen. Erst jetzt fällt mir auf, wie viel mehr Glück es noch war, dass zu diesem Zeitpunkt meine neue SIM-Karte seit gerade einmal vier Stunden wieder in Betrieb war - sonst hätte der nette Anrufer die Ansage bekommen, diese Nummer sei nicht vergeben.

Der erste Tagesordnungspunkt für heute war also klar: Zum Baumarkt fahren und meinen wertvollen Kalender abholen. Es zeichnete sich schon wieder große Hitze ab, deswegen trödelte ich nicht ganz so lange mit Buch und Kaffee herum, wie ich es gerne getan hätte, sondern machte mich noch vor der allergrößten Hitze auf den Weg. Im Treppenhaus traf ich den T. von unten und machte, wie fast jedes Mal in letzter Zeit, wenn ich Nachbar:innen aus dem Haus treffe, Kater-Smalltalk. Der neue Babykater wird von fast allen Nachbar:innen betreut, solange die Besitzer:innen im Urlaub sind, und er gibt Anlass zu Sorge und Gespräch und wir hoffen alle, dass er nur schüchtern und nicht traumatisiert ist. In der Nacht jedenfalls, die ich mit ihm in derselben Wohnung verbracht habe (allerdings im Nordflügel und er im Südflügel), war er hörbar aktiv, das ist ein gutes Zeichen. 

Der Terminkalender war dort, wo er mir versprochen worden war, sehr zufrieden radelte ich wieder heim und begann mit der täglichen Wappnung gegen die Hitze: Vorhänge aufhängen, Jalousien schließen, Fenster und Terrassentüren zu. Und dann nahm ich mir das Kochbuchregal-Projekt vor. Drei Stunden lang maß ich aus, zeichnete an, plante Vorgehensweisen (und suchte den Bleistift, was bekanntermaßen die zeitäufwändigste Tätigkeit beim Handwerken ist). Ich hörte erst auf, als ich an einen Punkt kam, für den ich Instruktionen vom Prinzen brauche, aber eigentlich war alles getan. Bis auf das Zusammenleimen und -schrauben. Aber rein theoretisch ist das Regal fertig. Ich fand das Handwerken richtig erfüllend. Erst danach bemerkte ich, dass ich die ganzen drei Stunden lang nicht einmal daran gedacht hatte, einen Podcast anzumachen, und das gefiel mir sehr gut. Ist nämlich auch eine typische Tätigkeit, bei der meine Podcastsucht sich gerne bemerkbar macht, obwohl Podcasts im Hintergrund, während ich mich hoch konzentrieren muss, selbstverständlich nur abträglich sind. Überhaupt lässt der Druck, ständig Podcasts einzuschalten, allmählich ein bisschen nach - wahrscheinlich auch begünstigt dadurch, dass ich eine Woche lang gar kein Endgerät hatte, um Spotify einzuschalten.

Zwischendurch rief mich die I. an und setzte mich ins Bild, was bei ihr gerade so los ist. Es freute mich sehr, von ihr zu hören; überhaupt freut es mich, dass die I. seit ein paar Jahren immer mal wieder einfach so anruft und wir eine Stunde miteinander quatschen, ohne größeren Anlass. Sie klettert immer weiter die Karriereleiter hoch, fand mein momentan undramatisches Leben beneidenswert und fast ein wenig langweilig, bemitleidete mich aber sehr für unser Pech mit dem Auto-Aufbruch.

Der Kletterausflug am Donnerstag hat mein Sport-Interesse wieder geweckt. Nachdem ich gestern laufen war und heute - unerhört! - sogar Muskelkater davon spürte (!!! Ich weiß gar nicht, wie viele Jahre das schon nicht mehr vorgekommen ist?), wäre ich heute gerne noch einmal klettern gegangen. Aber sind ja alle in Urlaub! Also ließ ich das Schicksal entscheiden: Wenn ich jemanden zum Radfahren finden würde, Rad fahren, wenn nicht, dann Krafttraining. Es fand sich aber niemand, kein Wunder, bei windstillen über 30 Grad war ich auch sehr hin- und hergerissen; naja, so hatte sich das entschieden und ich hing mich ans Hangelbrett. Wieder eine Gelegenheit übrigens, die nächsten zwei Apps zu installieren, die ich auf dem Handy brauchte: Fingerkraft-Timer und Intervall-Timer für Bankstütz. Zu meiner großen Überraschung lief das Fingerkraft-Training so gut wie noch nie, zum ersten Mal überhaupt konnte ich alle vier Sets komplett ausführen. Es lief sogar so gut, dass ich überlegte, ob die Einstellungen anders waren als bisher? Ich glaube aber, nicht. 

Später rief mich der Prinz an, um aus 20 Minuten Entfernung eine große Portion Nudeln bei seiner Ankunft zu bestellen, und wie cool ist das denn, dass er mich jetzt wieder anrufen kann und wir einfach miteinander kommunizieren können. Natürlich bekam er seine Nudeln, mit viel Tomatensoße und dazu zwei eisgekühlte alkoholfreie Radler. Der freute sich aber!

Wir brachten uns gegenseitig auf den neuesten Stand, was in unseren beiden letzten Tagen jeweils passiert war, dann stellte ich dem Prinzen meine Kochbuchregalarbeiten vor und er hatte, ähem, Verbesserungsvorschläge. Jedenfalls sind wir mit dem Aufbau heute nicht so weit gekommen, wie ich mir das gewünscht hätte, aber besser, alles ist präzise gebaut als schnell fertig.

Allmählich erfahren Freund:innen von unserem Pech mit dem aufgebrochenen Auto und meinem geklauten Handy, ich habe die Story nun schon einige Male erzählt, als Letztes dem I., der mir seinerseits missglückte Urlaubserlebnisse erzählte. Er fand die Hitze gar nicht so schlimm, obwohl er genau dieselbe wie ich spüren musste, da er nur eine Straße weiter wohnt. Sonderbar! Als wir auflegten, war es bereits zu spät zum Weiter-Handwerken (aka Lärm machen) und es wurde ein Bettgehbeschluss gefasst. 


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Gelesen: 

Luca d'Andrea: Der Tod so kalt. Der Krimi spielt in den Südtiroler Bergen, und genau deswegen hatte ich ihn mir mit in den Urlaub in Südtirol genommen. Zusätzlich spielt er über weite Strecken im eiskalten Winter, was bei 37 Grad Außentemperatur zumindest eine leichte gedankliche Abkühlung mit sich brachte. Spannend zu lesen war er durchaus: Der Erzähler, Jeremiah Salinger, ist ein Zugezogener, nämlich ein Amerikaner, der mit seiner Tochter und seiner Frau in deren Geburtsdorf zieht. Die Einheimischen sind alle rechte Eigenbrötler, die felsenfest zusammen und zu ihrem Dorf halten. Als Neuer hat er dort nicht viele Chancen, um in die Gesellschaft aufgenommen zu werden. Nach einem traumatischen Unfall in einem Gletscher kann er seine Arbeit als Drehbuchschreiber nicht mehr machen und soll auf Anraten seiner Ärzt:innen und auf die Bitte seiner Frau hin eine Auszeit nehmen, aber er erfährt von einem lange zurückliegenden Verbrechen, das in eben diesem Dorf stattgefunden hat und noch immer nicht aufgeklärt ist und macht sich auf die Suche nach Spuren. Am Ende könnte es ungefähr jede:r aus dem Dorf und auch einige Menschen außerhalb gewesen sein, deswegen ist die Auflösung leider recht beliebig, der Mensch, der die Morde dann begangen hat, hat genauso viele Gründe oder nicht wie all die anderen Verdächtigen. Außerdem tritt gegen Ende des Buches noch eine Bestie auf, die ich dann doch recht absurd fand, und es kommt noch eine abstruse Familiengeschichte mit vertauschten Kindern vor, ach ja, alles ein bisschen viel, um das Ende des Buches hinauszuzögern. Eine ganz gute, leichte Sommerlektüre, die am Schluss ein wenig abfällt. 


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