Es wurde gestern Abend so dunkel, dass wir nachts zum Schlafen die Verdunklungsmatten nicht mehr brauchten. Die dicken Vorhänge, die Fahrerkabine und Innenraum sowie Innenraum und Schlafkoje abtrennen, reichen jetzt wieder aus. (Bisher war es nachts fast durchgehend hell geblieben, aber wir nähern uns dem Süden).
Erst morgens haben wir die Umgebung unseres Schlafplatzes genauer in Augenschein genommen und wären am liebsten gleich dageblieben. So ein lauschigen Plätzchen am Fluss wäre woanders ein lohnenswerte Ausflugsziel. Hier ist es einfach eine Ausweichstelle an der Schnellstraße, wie so viele andere auch.
Das Land wird zunehmend lieblicher und wieder ähnlicher wie auf den Lofoten. Die sehr einsame und karge Gegend gestern hatte uns als Abwechslung sehr gut gefallen, aber ist anscheinend jetzt vorbei. Die Straße ist aber immer noch sehr schön und wenig befahren, ab und an muss man eine Fähre nehmen, um ihr weiter zu folgen. Das hat beim ersten Mal wunderbar geklappt - wir fuhren rein, die Fähre fuhr los - und uns beim zweiten Mal einen fullstop beschert: Denn es fehlten noch 50km bis zu unserem Ziel Namsos, als der Fährkapitän uns mitteilte, dass die Fähre erst in 2,5 Stunden wieder ablegen würde. Dummerweise hatten wir die vorherige gerade verpasst, weil ich mir auf einem Rastplatz an einem kleinen Fischerhafen die Beine kurz hatte vertreten wollen. Kurzerhand sind wir dorthin zurückgekehrt um hier zu übernachten, und die Fähre nehmen wir dann eben morgen früh.
Ich habe die Zeit in der Sonne am Hafen dafür verwandt, die Reiseplanung weiter zu erstellen. Das ist aufgrund der Entfernungen in Norwegen gar nicht so einfach. Da sucht man sich ein interessantes Ziel aus, das auf der Karte in der Nähe liegt- und gleich sind das "in der Nähe" real 500km Entfernung. Außerdem muss ja noch mein Geburtstag eingeplant werden, da sollten wir schon wo besonderes sein 😉
Wir sparen mittlerweile am Gas, denn bisher hatten wir im Bus eine 5kg-Flasche und haben, weil das Kochen nicht besonders komfortabel war, oft in Restaurants gegessen. Ausgerechnet auf der langen Sommerreise sind wir nun das erste Mal mit einer 3kg-Flasche unterwegs und kochen auch alles selbst. Inzwischen wissen wir, dass es entgegen unserer Annahme sogar erlaubt gewesen wäre, eine zweite Flasche mitzunehmen - kaufen kann man die nämlich hier leider nicht. Nach Berechnung sollte das Gas noch ausreichen, um jeden Tag Kaffee und eine warme Mahlzeit zuzubereiten. Wie man bei einer Diät Hunger bekommt, sobald sie anfängt, habe ich seitdem jeden Tag Lust auf einen zusätzlichen Kaffee und was Warmes am Nachmittag...
Wir haben auf der Fahrt bereits das vierte Hörbuch ausgehört - Zeit für ein Zwischenfazit zu den Büchern, die ich in diesem Urlaub bisher gelesen und gehört habe.
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Gelesen/Gehört:
Meg Wulitzer: Das ist dein Leben. Ein Buch über das Aufwachsen zwei sehr verschiedener Schwestern, deren Mutter eine erfolgreiche Comedienne ist. Die Erzählung plätschert so dahin, erst im zweiten Teil, als der Stern der Mutter sinkt, nimmt sie Fahrt auf. Trotzdem blieben mir die Charaktere fremd und blass. Gefallen hat mir, wie eher subtil und relativ klischeelos das Thema Gewicht erzählt wird.
Sally Rooney: Normale Menschen. Zwei Menschen, die beide schwierig sind und mit ihren Problemen zu kämpfen haben, lieben sich, machen sich aber auch gegenseitig kaputt. Mich hat diese Beschreibung einer Beziehung lange beschäftigt, in der es keine Lösung dafür gibt, warum die beiden nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander können.
Anne Radge: Das Lügenhaus. Eine entfremdete Familie trifft wegen des Todes der Mitter wieder aufeinander. Es kommen dunkle Geschichten ans Licht, die erklären, warum die erwachsenen Brüder kaum oder gar keinen Kontakt mehr zueinander haben. Gut und mitreissend erzählt, die Geschichte entwickelt sich langsam und stetig. Es hat mich überrascht, dass es Folgenände gibt, denn die Story klang in sich abgeschlossen. (Hörbuch)
Ingrid Nunez: Sempre Susan. Nunez erzählt über ihre Zeit als Assistentin von Sontag und Freundin ihres Sohnes und vor allem, wie sie Sontag als Mensch erlebte. Sie zeichnet das Bild einer interessanten, aber nicht sympathischen Frau, das mich auf Sontags Literatur neugierig gemacht hat.
Susan Sontag: Wie wir jetzt leben. Kurzgeschichtensammlung von Sonntag. Die Geschichten sind ganz unterschiedlich angelegt und intelligent gemacht. Meist spiegeln sie ihr Sujet im Aufbau und/oder der Sprache wieder. Sie gefallen mir. Ich kann daraus aber noch keine Standpunkte ableiten, die Sontag ja so stark vertreten hat.
Anita Brooks: Hotel du Lac. Die Mitte 40jährige Edith wird von ihren Bekannten in ein abgelegenes unmodernes Hotel abgeschoben, weil sie sich in deren Augen unmöglich gemacht hat. Edith reflektiert über ihren Status als alleinlebende Frau im Abgleich mit den anderen Gästen, fast alle ebenfalls Frauen, und fasst einen Entschluss für ihr weiteres Leben. Sehr amüsante Schilderung verschiedener Frauentypen und eine interessante Betrachtung von Stereotypen, was von Frauen erwartet wird - die Geschichte spielt zwar in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, könnte aber ähnlich auch 100 Jahre älter sein.
Caroline Eriksson: Die Vermissten. Eine Frau fährt mit ihrem Mann und Tochter auf eine kleine Insel, wo die beiden verschwinden. Bald stellt sich heraus, dass sie psychische Probleme hat und ihren eigenen Wahrnehmungen nicht trauen kann. Joa, ein typischer Thriller halt, jedes Kapitel endet mit einem Cliffhanger, der in eine völlig andere Richtung lenken soll, das hat man aber bald raus und dann ist das öde. Sehr langatmig und mit blöden und unwahrscheinlichen Erklärungen für das, was passiert. Hatte ich nur ausgeliehen, weil skandinavische Autorin; davon kommt aber im Buch gar nichts rum. (Hörbuch)
Isabel Bogdan: Handbuch für Zeitreisende. Sehr originelle Idee: Das Buch setzt voraus, dass Zeitreisen in die Vergangenheit möglich sind, und gibt Tipps und Ableitungen, was dabei zu beachten und besonders empfehlenswert ist. Ich musste mehrmals lachen und habe auch viel gelernt, die Fakten sind real und werden in überraschender Art miteinander verknüpft. Leider viel zu kurz. (Hörbuch)
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