Donnerstag, 1. Juni 2023

Essinger Zustieg

Das winzige Kapellchen liegt auf einer Anhöhe hinter Essing, an dem die Altmühl vorbeifließt. Es ist so weit von jeglichen Häusern entfernt, dass es wie ein kleiner Pilgerort wirkt, der es wohl auch ist. Mit seiner gelben Fassade und dem Türmchen schmiegt es sich an den Waldrand und strahlt eine himmlische Friedlichkeit aus. Das liegt sicher auch an der Umgebung, denn so weit das Auge reicht erstrecken sich grüne, wogende Getreidefelder, unterbrochen von dem ein oder anderen Baum und einem Teich, der unter Trauerweiden vor der Kapelle liegt.

Das war unser Schlafplatz heute Nacht, und als wir morgens die zweite Tasse Kaffee auf dem Sitzbänkchen am Rande des Teiches tranken, begannen die Frösche zu singen. Erst quakte nur einer, dann ein zweiter, dann fünf und kurz darauf fiel der ganze Chor ein und sang einige Minuten lange in ohrenbetäubender Lautstärke. Nach und nach hatten sie keine Lust mehr und verstummten wieder. So ein Konzert wiederholte sich dann den ganzen Vormittag lang nicht mehr, es quäkte nur immer wieder träge aus dem Schilf.

Wir konnten uns aus der friedlichen Stimmung rund um das Kapellchen gar nicht losreißen, noch dazu wo die Morgensonne wärmte und alles noch gemütlicher machte. Ein idealer Ort für eine Sinnesmeditation, die ich heute Morgen machte. Dabei konzentriert man sich auf einen Sinn, meist der Hörsinn, und es gab viel zu hören – neben den Fröschen auch Vogelgezwitscher, Insekten, Blätterrauschen und in der Ferne ab und an ein Flugzeuggrollen. Die Insekten brummten natürlich nicht nur, sondern krabbelten auch ausgiebig auf mir herum… das auszuhalten ist eine der großen Herausforderungen beim Meditieren im Freien :-)


Die letzten Tage hatte mich meine Pollenallergie ziemlich geplagt, sogar so sehr, dass ich Tabletten genommen hätte, hätte ich welche zur Hand gehabt. So stark hatte ich die letzten drei Jahre keine Allergie mehr gehabt, deswegen waren aber keine Tabletten zuhause. Und so schlimm, dass ich mir welche besorgt hätte, war es auch wieder nicht (ich weiß noch nicht mal mehr, ob die eigentlich rezeptpflichtig sind und zusätzlich einen Besuch beim Arzt erfordern?). Heute ging es auf jeden Fall erstmals wieder besser, ich musste den ganzen Tag kaum Nase putzen oder an den Augen rumrubbeln.

Zur Kastlwand wählten wir heute einen anderen Weg als gestern, nämlich von Essing aus. Der ist etwas länger, dafür geht er durch den Wald und bietet dadurch mehr Schatten und mehr Abwechslung fürs Auge. Auch mehr Trampelpfad und damit Zeckengefahr 😉 – dieses Jahr ist es wohl wieder besonders schlimm mit Zecken, so dass sogar ich regelmäßig meinen ganzen Körper nach ihnen absuche. Solange es geht, versuche ich sie ansonsten eher zu verdrängen. 


An der Kastlwand habe ich mich heute den ganzen Tag mit dem „Alten Weg“ vergnügt. J. hängte ihn mir wieder hoch, heute bin ich ihn ernsthaft angegangen und im Toprope mit Ach und Krach hochgestiegen. Mir ging auch der Gedanke durch den Kopf, ihn vorzusteigen, aber ich habe mich aufgrund sehr weiter Hakenabstände unten und Haken, die man aus dem Piazzen heraus klippen muss, oben dagegen entschieden. Dafür ist mir die Route für den Grad noch zu schwer. Trotzdem hat sie mir ungemein Spaß gemacht. Wir waren auch wieder, wie gestern, den ganzen Tag alleine an der Wand. Wir und ein kleines braunes Mäuschen, das so frech war, dass es mir beim Sichern fast über die Füße lief. 

Heute ging es dann weiter mit Schlangenbegegnungen. Allerdings sehr viel kleiner als beim letzten Mal, es war nämlich eine Mini-Baby-Kreuzotter, der wir auf dem Rückweg begegneten. Die war zwar nur so lang wie vielleicht zwei oder drei Regenwürmer, zischte und plusterte sich aber wie eine ganz Große. Offensichtlich hatte sie uns ebenfalls bemerkt und versuchte, uns aus ihrem Bereich zu verscheuchen. Ganz gut, dass sie sich dann nach einer Weile in das Gebüsch am Wegensrand davonmachte, denn auf dem Weg sind ziemlich viele Radfahrer:innen unterwegs und das macht ihn zu einer gefährlichen Gegend für Schlangenbabys.

Die Tage fühlen sich wie Hochsommertage an. Ich möchte jeden Sonnenstrahl in mich aufsaugen und am liebsten den ganzen Tag draußen verbringen! Am Abend haben wir im Van Norbert die hinteren Türen aufgeklappt, unser Sofa nach hinten ausgerichtet, mit Blick auf das intensive Abendrot eine Schüssel Tomaten-Mozzarella verspeist und uns selbst dabei noch die laue Luft um die Ohren wehen lassen.

Toprope: Kastlwand, Alter Weg (7)

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