Donnerstag
So gut habe ich noch selten im Auto geschlafen. Diese Matratze mit ihren beweglichen Auflegern im Nobbi ist genauso bequem wie ein Bett zuhause. Die erste Nacht haben J. und ich auf einem Wanderparkplatz im Grünen verbracht und dann morgens die Standheizung ausprobiert. Noch fühlt sich alles sehr neu und fremd an.
Ettringen ist jedes Mal eine neue Herausforderung für mich. Das Gestein und die Kletterei ist hier so anders als überall sonst, dass ich mit Demut mindestens einen Grad runterschalten muss, um überhaupt irgendwo hochzukommen. Trotzdem gehe ich im Vorstieg in leichtere Routen und probiere aus, wie viel geht. Am Donnerstag nicht so viel, weil auch das Wetter so gar nicht mitspielen wollte: Nieselregen und richtig scharfer Wind. Ich war kurz davor, mit J. in die warme Therme in Bad Ems zu gehen, als wir dann doch noch ein trockenes Plätzchen gefunden haben (der Sektor heißt ausgerechnet "Hölle" 😁) und noch einige schöne Klettermeter gemacht haben.
Abgehakt: Ettringen Große Wand, Sektor Amerikanischer Traum: EAER 6 (5)
Interessantes Projekt: Ettringen Hölle, Sektor Hölle: Cross und knackig (8)
Freitag
Am Donnerstagabend luden J. und ich uns bei J.s Schwester zum Abendessen ein. Und blieben dann gleich vor ihrem Haus über Nacht stehen. Besonders das jüngste Familienmitglied freute sich total, dass wir dann zum Frühstück vor Schulbeginn - in Rheinland-Pfalz sind im Gegensatz zu Bayern die Osterferien schon wieder vorbei - nochmal ins Haus kamen. Na, das allein hat das frühe Aufstehen ja schon gelohnt! Für 6:30 hatten wir uns schon den Wecker stellen müssen, sonst wären wir so früh nicht aufgewacht.
Der Klettertag heute war dann herrlich. Merkte man auch daran, dass der Parkplatz recht voll war - unter anderem mit einem anderen Fürther Auto. Waren dann aber keine Kletter:innen, sondern eine Familie mit Hund. Fahren die so weit, um einen Spaziergang im Ettringer Lay zu machen?
Abends dann das Hochzeits-Vortreffen mit J.s Eltern und Tantenfamilien. Dort gab´s ein tolles Menü aus lauter verschiedenen, einzelnen Gerichten, alles ganz hervorragend und ganz viel vegetarisch. Der Bräutigamsvater hat einen strengen Zeitplan ausgearbeitet, den wir uns alle unter viel Gelächter gut für morgen merkten. Er besteht übrigens darauf, dass er der Vater ist und der andere der Schwiegervater. Es kommt eben immer auf die Perspektive an. Heute Nacht schlafen wir dann bei J.s Eltern zuhause, um uns am Samstagmorgen richtig schick machen zu können.
Abgehakt: Ettringen, Hölle: Papa Noah (6)
Toprope: Ettringen, Hölle: Piazkante (6+)
Samstag
Für mich war der spannendste Moment heute, als ich das Kleid vom Schneider abholte. Das habe ich von der Schwiegermama ausgeliehen bekommen und musste es aber noch ein wenig anpassen lassen. Abgesteckt hat es der Schneider bei unserem letzten Besuch bei J.s Eltern vor drei Wochen, und abgeholt hat es dann die Schwiegermama. Als ich es vorgestern aber probiert habe, war es so eng, dass ich nicht richtig Luft holen konnte. Wäre für einen Tag notfalls gegangen, aber bequem war´s echt nicht. Zu Glück konnte es der Schneider an einem Tag noch einmal wieder auslassen und jetzt sitzt es perfekt. Die Tasche mit buntem Farbakzent dazu hat mir eine Freundin ausgeliehen, aber der pinke Lippenstift ist zumindest wirklich von mir 😁 Und die Schuhe auch, die hätte ich mir nämlich um ein Haar noch von der Schwester geliehen.
Die Hochzeit war perfekt organisiert, von Kirche mit Gäste-Spalier beim Auszug bis Fotowand im Hochzeitssaal, vielen netten und unpeinlichen Beiträgen der Gäst:innen und Namenskeksen auf den Tellern. J. und ich hatten Glück mit unseren Tischnachbar:innen, die wir zwar alle nicht kannten, uns aber trotzdem gut mit ihnen unterhalten haben. Seit langem war ich mal wieder als "Familie" auf der Hochzeit und mir ist sehr aufgefallen, wie wenig sich Freund:innen und Familie auf solchen Festen mischen. Wenn ich darüber nachdenke, war das auf den Hochzeiten meiner Freund:innen auch schon so. Andererseits war das Gästeverhältnis heute ziemlich 50:50, so dass beide Gruppen groß genug waren, um Spaß zu haben.
Manchmal denke ich darüber nach, dass J. und ich mit unserer Corona-Hochzeit großes Glück hatten. Ich bewundere große Hochzeitsfeste, bei denen alles bis ins Detail wunderschön und durchorganisiert ist, zwar sehr und bin auch gerne Gästin darin. Aber ich möchte die Arbeit der Vorbereitung und die vielen Entscheidungen, die damit zusammenhängen und die immer irgendein Kompromiss sein müssen, nicht haben. Und ich glaube, es wäre mir gar nicht so angenehm, einen ganzen Tag so unglaublich im Mittelpunkt von allem zu stehen.
Nach der Feier hatten wir noch Lust auf Luft und eine ruhige Stunde zu zweit, um das Fest nachzubesprechen und machten uns zu Fuß auf den Weg zum 4 km entfernten Nobbi. Ich klopfe mir noch immer auf die Schulter für die Idee, dafür Sportschuhe und warme Jacken einzupacken! Der Spaziergang ging am Rhein entlang, teilweise durch ziemlich dunkle Wiesen und lange Zeit von mehrstimmigen Gesang männlicher Stimmen begleitet, die ganz schön laut über den Fluss schallten und sich gar nicht richtig zuordnen ließen. Es klang nach Litanei, ziemlich ausdauernd - und das nachts um eins. Mysteriös. Mein Tipp war auf Rhein-Sirenen.
Eigentlich hätte die voraussichtliche Gehzeit von 80 Minuten ganz gut gestimmt, wenn Google nicht nach 70 Minuten verkündet hätte: "In 20 Metern die Fähre über die Sieg nehmen.". Okeee... Das kam unerwartet und hat uns dann einen Umweg von weiteren 20 Minuten über eine windige Brücke gekostet. Bei der Ankunft um 3 Uhr am Nobbi waren J. und ich jedenfalls im Kopf und im Körper bettschwer.
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