Wenn ich nur nicht so müde wäre die ganze Zeit! Anfang des Jahres hatte ich bereits ein paar Wochen eine kaum erträgliche Müdigkeitsphase. Gerade fühlt es sich wieder ähnlich an: seit Tagen bin ich müde, müde, müde. Ich habe keine Erklärung dafür; ich schlafe viel, esse genauso wie immer (vielleicht etwas wenig Protein zur Zeit) und fühle mich nicht krank. Die Hitze macht mir zu schaffen, aber ich fühle mich müder als normalerweise bei solchen Temperaturen.
Gestern war die Nacht natürlich auch recht kurz. Wir waren noch drei Stunden Richtung Österreich gefahren und übernachteten auf einem Wanderparkplatz, auf dem ziemlich viel Betrieb war: bereits morgens um sieben begann der Landschaftsgärtner, das Gras am Straßenrand mit einer dieser extrem lärmenden staubsaugerähnlichen Maschinen zu schneiden. Andererseits war uns das eh recht, denn wir waren mittags mit der N. in Semmering verabredet und hatten noch weitere drei Stunden Fahrt vor uns. Die übernahm diesmal ich - immer noch eher die Ausnahme, denn J. fährt den Van Norbert am allerliebsten selbst und ich bin meistens Beifahrerin.
Die N. hatte den Weg von Wien aus in der malerischen Semmering-Bahn gemacht und landete pünktlich am Bahnhof, wo wir nur 15 Minuten vor ihr angekommen waren und sie am Gleis in Empfang nehmen konnten. Große Wiedersehensfreude auf allen Seiten! Die N. kennt sich auch in Semmering richtig gut aus (diese Frau kennt sich eigentlich in jedem Fleckchen Österreich gut aus und war überall schon mal!) und schlug eine Gondelfahrt auf den Hirschkogel vor. Dort speisten wir hervorragende Gerichte aus Pilzen, die anscheinend hier schon Saison haben. Den Germknödel verkniff ich mir in Voraussicht auf späteres Kuchenessen und bereue das immer noch…
Gleich bei der Seilbahnstation gibt es einen sehr vergnüglichen Kletterparcours, der auch erwachsenen Kindern Spaß macht (von J. und mir getestet) und einen Aussichtsturm, der gebaut ist wie ich mir einen chinesischen Pavillon vorstelle. Außerdem startet dort ein Bikepark und wir schauten den Mountainbikern dabei zu, wie sie sich mehr oder weniger kopfüber in die Trails stürzten. Oder hineinschlichen. Für mich wäre dieser Sport ja echt nichts. Sturzgefahr löst bei mir so gar keinen Kick aus! Jedenfalls scheint mir diese Bergstation ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Skigebiete auch im Sommer attraktiv genutzt werden können, es ist nämlich alles sehr schön und angenehm gemacht dort.
Die N. erzählte uns noch einiges über den Ort und seine
Geschichte, während wir an den großen und ehemals prachtvollen Hotels entlang
die Promenade entlangflanierten. Bevor wir das Südbahnhotel erreichten, kehrten
wir aber wieder um und stellten im Nachhinein fest, dass das eine gute
Entscheidung gewesen war: Es wäre nämlich noch 1,5km entfernt gewesen und wir
wären in Stress geraten, um die N. noch gut zum Bahnhof zu bringen, selbst
wieder zum Hotel zu fahren, einen guten Stellplatz zu finden und uns
vorzubereiten. Im Südbahnhotel fand nämlich gestern Abend der Anlass unserer
Reise statt: J. und ich besuchten das Polydrama „Alma“. Das Theaterstück spielt
in mehreren parallelen Szenen im ganzen Hotel verteilt. Das Südbahnhotel ist
dem Hörensagen nach schon seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr bewirtschaftet und dementsprechend
morbide verfallen. Die Fenster sind zum Teil nicht mehr ganz, aus den Wänden
bröckelt der Putz; überall sind noch Spuren der früheren Grandezza zu sehen,
aber auch, wie viel Sanierungsbedarf das riesige alte Gebäude hat.
Das Ambiente passte hervorragend zu dem Theaterstück und die Räume waren herrlich detailgetreu mit altem Mobiliar und Zubehör ausgestattet. Da das Haus nicht beheizt werden kann und das Stück zum Teil auch in den Kellergewölben aufgeführt wurde, war ich bald froh darüber, dass ich ein Wollkleid mit Strumpfhose angezogen hatte. Zu Beginn um 19:30 Uhr war mir darin noch recht warm gewesen. J. bekam relativ früh am Abend schon einen Schwall Wasser ab, weil er neben dem badenden Zemlienski- Schauspieler gesessen hatte und musste den Rest des Stücks im nassen Hemdsärmel frieren. Und das war noch lang, denn erst um 0:30 Uhr kamen wir wieder aus dem Südbahnhotel. Zum Theaterstück gehört glücklicherweise auch ein Galadinner, das mir für meinen knurrenden Magen sehr recht kam. Und obwohl es nur ein vegetarisches Hauptgericht gab, war das aber dafür so lecker, dass J. und ich uns beide damit die Bäuche vollschlugen.
Während des Stücks ging über Semmering ein starkes Gewitter nieder, mit Regenstürzen, Blitzen über den ganzen Himmel und Donnergrollen. Das untermalte die dramatischen Theaterszenen drin aufs Allerbeste! Einige wenige Szenen zogen die Schauspieler:innen sogar draußen auf Terrasse und Garten im strömenden Regen durch.
Das Theaterstück selber war beeindruckend. Bis auf die letzte Szene, in der der sehr alte und dicke Regisseur, der sich eine Hauptrolle in das Stück hineingeschrieben hat, diesen Hauptrollen-Charakter von einem blutjungen Mädchen vergöttern lässt, das ihn schließlich nackt zu verführen versucht. Wirkte ganz wie eine typische Altherrenphantasie, war sehr unangenehm und für die Handlung des Stückes absolut unnötig. Cringe.
Wir hatten den Van Norbert nur 200 Meter entfernt vom Südbahnhotel unterbringen können und standen auf einem kleinen Parkplatz neben einem Spielplatz, wo es die ganze Nacht sehr ruhig war. Als ich heute Morgen aufwachte, war es – Viertel nach zehn! Das ist mir schon lange nicht mehr passiert, dass ich so lange durchgeschlafen habe. Ich frage mich, ob ich nach dem Klassentreffen letzte Woche, an dem es ähnlich spät wurde, ohne Wecker auch so lange geschlafen hätte? Und bin umso früher, dass ich die dann folgende Radtour so gut verkraftet habe.
Trotzdem zieht sich die Müdigkeit einfach weiter durch, tatsächlich legte ich mich am Nachmittag nochmal hin und fiel sofort für eine weitere Stunde in komatösen Schlaf. Wir waren gegen mittag nach frühstücken und einkaufen eine halbe Stunde weiter östlich, ins Höllental, gefahren, weil wir hier noch klettern wollen. J. ging in der Zeit meines Nickerchens schon mal die Weiße Wand auschecken. Als er mich aufweckte, war ich endlich einigermaßen fit. Und so fassten wir den schnellen Entschluss, dann doch noch klettern zu gehen; nicht an die Weiße Wand, sondern an das Niemandsland. Ich bin auch im Nachhinein sehr froh, dass wir es trotz grauen Himmels und steilem, glitschig-nassen Zustieg gemacht haben, denn die Wand ist schön. Besonders für J., aber auch für mich war eine attraktive Route an der Wand, in die ich dreimal im Toprope eingestiegen bin. Dann begann es auch schon dunkel zu werden und wir machten uns an den Abstieg. Hoffentlich regnet es heute Nacht nicht wieder so viel wie die Nacht zuvor, denn die Wand war gerade noch trocken genug – sollte aber nicht nässer sein.
Wir haben uns am Vormittag extra eine österreichische SIM-Card mit großem Datenvolumen gekauft, denn heute beginnt die Tour de France und ich wollte sie gerne gucken. Aber: Wo es kein bisschen Netz gibt, hilft auch das viele Datenvolumen nichts… schade. Also heute ohne Fernsehen ins Bett. Dafür haben vor dem Van Norbert ganz viele Glühwürmchen ein Fest gefeiert und grünleuchtende Kreise durch den schwarzen Wald gezogen. Das war unheimlich schön.
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