Aufgewacht bei noch völliger Dunkelheit. Ach so, nee, das waren ja die noch zu-en Jalousien. Aber viel besser sah es draußen nicht aus: regnerisch und dunkelgrau. Das passte so gar nicht zum Plan des Prinzen und mir, heute Klettern zu gehen; wir beschlossen implizit, erstmal eine Zeitlang herumzuhängen und abzuwarten, dann an den Roten Fels zu fahren und in die Kletterhalle auszuweichen, sollte er nass sein.
Vor dem Losfahren wollte ich noch einiges erledigen, vor allem das letzte Gericht des Speiseplans kochen, bevor die vorgekochten Bestandteile unattraktiv wurden. Möglicherweise ergaben sich daraus Folgetätigkeiten (Abspülen, Biomüll rausstellen, Küchenfronten putzen, ich könnte ewig weitermachen) und möglicherweise tat ich meine Haushaltsfrustration dem Prinzen gegenüber kund und möglicherweise fühlte sich dann eine*r angegriffen und eine*r unverstanden und wir mussten beide aktiv das Gespräch immer wieder in eine lösungsorientierte Richtung drehen, damit es sich nicht in Aufzählungen á la "Ich habe aber letzte Woche dreimal die Spülmaschine ausgeräumt und du die Zwiebelschalen auf der Arbeitsplatte liegen gelassen!" verhedderte.
Die Autorin Patricia Cammarata zitiert manchmal eine Aussage eines Paartherapeuten: "Wenn aus Überforderung Forderung wird" und meint damit: dann kracht es meistens. Und ich war überfordert davon, meine Wünsche und Anforderungen zusammenzubringen, wollte einerseits klettern gehen, andererseits auch die Wohnung und den Haushalt in einen Zustand bringen, der morgen einen stressfreien Start in die Erwerbsarbeitswoche erlaubt. Ich durchlebe da gerade einen Shift: Im letzten halben Jahr lag meine Priorität ganz klar auf dem Sport, alles andere - Haushalt, Erwerbsarbeit - fühlte sich zweitrangig an. Bis zu einem Maße, bei dem mich selbst störte, mit welchen Minimalanforderungen ich mich zufriedengab. Tja, scheint so, als gewönne "der Rest" gerade wieder an Wichtigkeit, und das hat natürlich zur Folge, dass die Zeit knapper wird. Eine Priorität ist eben einfacher zu bedienen als drei Prioritäten (die dann im Grunde ja nur noch Trioritäten sind).
Jedenfalls saßen der Prinz und ich bei unserem Gespräch bereits im Van Norbert auf dem Weg in die Fränkische und schafften es, bei Ankunft am Roten Fels wieder im Reinen mit uns und dem bisschen Haushalt zu sein und ich bin zutiefst dankbar dafür, einen Mann zu haben, mit dem ich nur selten streite und wenn, dann konstruktiv.
Der Rote Fels hatte einen Besuch mit ungetrübter Stimmung sehr verdient. Was für eine imposante, tolle Wand! Als wir ankamen, schien unglaublicherweise sogar die Sonne, und zwar an den Felsfuß, wo man beim Sichern normalerweise erfriert, und die Wand lag im Schatten, wie man es zu Klettern braucht. Gut, die 100%ige Idylle hielt sich nur etwa 20 Minuten, dann kroch die Sonne hinter den Fels, aber es blieb trotzdem schön.
Aber: Es wird eindeutig Herbst. Ich fand es vor meinen Gos temperaturbedingt attraktiver, die Kletterschuhe an- als die Daunenjacke auszuziehen, das will schon was heißen bei den verdammt engen Kletterschuhen.
Der Prinz hängte mir eine wunderschöne 8 hoch, die für mich ein Fest guter Einzelzüge war, im Ganzen aber noch zu schwer. Immerhin dreimal bin ich sie im Toprope geklettert, was mindestens fünf Gos auf "normalfränkisch" wären, denn der Rote Fels ist ungewöhnliche 30 Meter hoch. Man munkelt, ich sei schon früher einmal. hier gewesen, was ich einerseits kaum glauben kann, mir andererseits bei meinem schlechten Felsgedächtnis durchaus möglich scheint.
Als wir nach dem Klettertag zuhause ankamen, war es schon wieder dunkel, diesmal echt und ohne Jalousien. Wir freuten und beide ehrlich und ohne Hintergedanken über das fertige köstliche Essen, das uns erwartete. Und dann ließ ich dieses volle, tolle Wochenende mit dem Tatort ausklingen. Vorm Kaminfeuer, dem zweiten in dieser Heizperiode.
Toprope gebouldert:
Roter Fels, Hessisches Roulette (8)
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