Trotz der schweren Taschen am Fahrrad war ich erstaunlich schnell bei der Schwester, tatsächlich brauchte ich ähnlich lange wie normalerweise ins Büro. Sicherlich spielten dabei auch die frisch aufgepumpten Reifen eine Rolle - ist doch immer wieder eine Überraschung, wie viel besser es sich mit zwei Bar mehr fährt. Ich sog die Farben im Park, den ich durchquerte, so intensiv wie möglich ein, denn man merkt schon, dass der Herbst sich allmählich dem Ende zuneigt und das Gold ins Braun hinüberspielt.
Von der Schwester wurde ich herzlich mit Kaffee und meinem Lieblingsobst Kaki empfangen, die Nichten waren noch nicht auf, hatten aber Erlaubnis gegeben, zum Frühstücken geweckt zu werden. Dazu hatten wir nur kurz Zeit, denn Punkt neun musste ich heute beginnen zu erwerbsarbeiten; die Schwester, die zugehört hatte, war beeindruckt, denn sie hatte bisher gedacht, ich säße den ganzen Tag vor dem Computer und täte... tja, darüber hatte sie sich noch nicht so genaue Gedanken gemacht, aber etwas sehr Langweiliges hatte sie sich vorgestellt. Kurz danach bekam ich einen Schreibtisch zugewiesen und bekam ab da eher am Rande mit, wie das Familienleben vor sich hin wirbelte. Während ich (zugegeben: langweilige Dinge) erwerbsarbeitete, wurde ein Halloween-Menü aufgekocht, Verkleidungen entwickelt, eingekauft, Brunchdates getroffen und Mittagsessen gekocht. Am liebsten hätte ich gleich nach dem Mittagessen schon Feierabend gemacht, aber leider musste ich noch einmal an den Schreibtisch - was uns allen leid tat. Solche Kolleginnen hätte ich gerne öfter!
Das Dumme an einer Lesebrille ist übrigens - abgesehen vom offensichtlichen Ungemach, das sie mit sich bringt -, dass sie sich bei einer Pferdeschwanzfrisur gerne in den Haaren verhakt, sobald ich sie auf den Kopf schiebe. Und das tue ich oft, und noch öfter, wenn ich zwischen Bildschirm und menschlichen Gesprächen hin- und herwechsele. Und reiße mir dann oft Haare aus, bis ich sie wieder befreit habe. Das ist zum einen schmerzhaft, zum anderen verliere ich gerade eh so viele Haare, was ich nur ungern forcieren würde. Die M.eistgeliebte Nichte warf übrigens heute die Idee in den Raum, dass es sich bei dem Haarverlust um eine Art Fellwechsel handelt, sie habe das im Herbst und Frühjahr ebenfalls.
Die Schwester startete mit Familie und Nachbarsfamilien den Halloweenabend mit einem Halloween-Gottesdienst, und da ich bekanntermaßen zu Staub zerfalle, wenn ich eine Kirche betrete, blieb ich zuhause, obwohl ich da schon - endlich! - Feierabend gemacht hatte. Und war im selben Moment so müde, dass ich nur noch auf dem Sofa abhängen wollte. Das klappte so lange, bis die L.ieblingsnichte vom Reiten nach Hause kam und ich Zofentätigkeiten beim Umkleiden verrichten durfte, unter anderem das Ankleiden des linken Handschuhs mit Krallen, den sie sich nicht mehr selbst anziehen konnte, weil sie den rechten schon anhatte. Schwieriges Konzept!
Erst gegen 18:00 Uhr fiel mir dann auf, dass ich ja gar nicht wie geplant morgen einkaufen gehen können würde, denn morgen ist Allerheiligen, und Allerheiligen ist in Bayern Feiertag. So schob ich einen schnellen Besuch im Supermarkt ein auf dem Weg zur A., wobei ich das Wichtigste vergaß: Nämlich Löffelbiskuits. Ich hatte eingekauft für ein Tiramisu und vergaß die Löffelbiskuits. Ist es die Möglichkeit...
Mit der A. verquatschte ich den Abend vor dem Kaminfeuer, das zog wie der Teufel und uns alles Holz in Windeseile wegfraß. Wir saßen deswegen vor dem Feuer und ohne Licht, weil die A. in einem.sehr kinderreichen Viertel wohnt, aber vergessen hatte, Süßes anstatt Saures einzukaufen und wir beide ein sehr schlechtes Gewissen hatten ob des regelmäßigen Klingelns. Wir trauten uns nicht, die Tür zu öffnen und zuzugeben, dass es hier nichts gab. Da kochten und saßen wir lieber im Dunklen.
Ich hatte extra noch am Morgen mein Nachthemd geflickt in Erwartung einer Pyjama-Party bis spät in die Nacht, aber plötzlich überfiel uns das Kletterfieber und wir gingen überstürzt zu Bett, um morgen früh genug loszukommen für den Fels der Wahl. (Wie das immer so ist: Seit Wochen liegt mein Nachthemd auf dem Flickstapel und ich schiebe es vor mir her; kaum ist der Druck da, es zu nutzen, schaffe ich es, die Flickarbeit in der Früh zwischen Aufstehen und Losfahren einzuschieben.) Das Nachthemd kam dabei gar nicht zum Einsatz, beziehungsweise zum Einsatz schon, aber es wurde von niemandem gesehen als von mir.