Samstag, 11. Mai 2024

Der Schieber

Heute morgen konnte ich eine Meise beobachten, wie sie mit Würmern im Schnabel in das Vogelgäuschen auf unserer Terrassee schlüpfte. Ich freute mich sehr, hatte ich doch befürchtet,  dass die Meisen zum T. von unten abgewandelt wären. Sie haben es nämlich nicht leicht dieses Jahr bei uns: Wir sitzen erstaunlich oft mit Freund:innen auf der Terrasse, letzte Woche habe ich die Terrassendielen geschrubbbt, gestern der Prinz auf der Terrasse Fahrradketten gewachst, heute wurde geschliffen. Es ist also verdammt viel los da draußen, das würde ich nicht so gerne mögen, wenn ich ein brütender Vogel wäre.

Das Schleifen machte den Boden nochmal deutlich schöner. Ich hätte Zeit zum Ölen gehabt, aber ich wohne ja nicht umsonst schon seit zehn Jahren mit einem Peefektionisten zusammen: Da wird voraussichtlich noch nachgearbeitet werden wollen. Und tatsächlich: kaum kam der Prinz heim, sah er eine dicke Macke, die ich beim Schleifen gemacht hatte und die wir reparieren müssen. Ich ärgerte mich sehr über mich, immer wenn ich etwas tue, mache ich dabei was anderes kaputt, ich glaube, am besten mache ich einfach nie mehr irgendwas. (So, hat meine innere Kritikerin ihren Rant rausgehen, dann kann ich ja zur Schadensbegrenzung übergehen).

Noch auf dem Weg aus dem Haus zur S-Bahn hakte ich einige kleinere Erledigungen ab, manche erfolgreich,  andere nicht so, und dann waren der Prinz und ich schon unterwegs an die Veldener Wand. Dort trafen wir uns mit dem S. Eine weitere Seilschaft war auch da, drei sympathische Fahrrad-Kletterer aus Berlin, die mit Deutschlandticket und Hängematte unterwegs waren Back to the roots, was braucht es mehr? Jedenfalls, wenn man viel Zeit hat.

Ich hatte große Hoffnungen für den "Schieber", aber schon nach dem zweiten Einstieg merkte ich, dass heute bei mir nicht viel Kraft zu holen war. Es war auch trotz der Sonne und 20° empfindlich kalt am Fels, so dass ich zwischendrin immer wieder unangenehm auskühlte, bis ich ein Plätzchen auf einer sonnigen Kuppe fand, wohin ich mich zum Aufwärmen verziehen konnte. Dort merkte ich mal wieder, wie sehr ich inzwischen an Dauerberieselung gewohnt bin - selbst in der Sonne dösend musste ich mich ständig aktiv dagegen entscheiden, einen Podcast anzumachen oder sonstwie zu daddeln. 

Relativ unerwartet kam ich den Schieber dann im vierten Versuch bis oben hoch. Huch! Jetzt muss der also vorgestiegen werden?! 

Es gab verschiedene Einladungen zum Abendessen, Segen und Fluch des Frühsommers: die Grillsaison beginnt, alle haben Lust, abends zusammenzusitzen und die milden Abende zu genießen. Ich hatte aber schon lange ein Essen mit der S. vereinbart, so dass wir keine Entscheidungsnöte hatten. Der andere J. kam auch dazu und wir speisten in der Pizzeria am Platze. Ich war froh über die kuschelige Jacke, die mir die S. auf Wunsch mitgebracht hatte, und hätte auch warme Socken nicht verschmäht, denn abends wurden meine Füße in den offenen Birkenstocks eiskalt. Der andere J. lernte eine sehr gemeine Art, sich zu entschuldigen. Alpinkletterpläne wurden konkreter, Vorteile des Lebens auf dem Lande diskutiert (in der aktuellen Lebenssituation der S. und des J. haben Nachteile des Landlebens oder Vorteile des Stadtlebens keinen Platz, das machte er sehr deutlich). Der Abend war lustig, laut und freundschaftlich, und auch wenn die Bahn nach Hause zu spät war und sehr lange brauchte, fand ich es gut, dass wir einen ganzen Klettertag inklusive Essensverabredung mit Öffis gemeistert hatten.

Toprope:
Veldener Wand, Schieber (8)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen