Dienstag, 23. April 2024

Knackig kalt

Aus der Erfahrung von gestern hatte ich gelernt und machte im Büro als Erstes den Heizlüfter an, obwohl mir vom Fahrradfahren noch warm war. Es hatte nämlich knackige 0° draußen heute - bei strahlendem Sonnenschein. Und ich hatte mal wieder vergessen, mir gleich morgens das Gesicht mit Sonnencreme einzucremen, das wird noch ein langer Prozess, bis das endlich Routine ist.  

Kalt war mir im Büro also nicht, aber ich war müde. Unerklärlich müde, nach langem Nachtschlaf und nachdem ich fit aufgewacht war. Ich schleppte mich durch den Erwerbsarbeitstag, meditierte in der Mittagspause die schlimmste Müdigkeit weg, aber es war trotzdem anstrengend. 

Ein Thema beschäftigt mich in letzter Zeit öfters, nämlich Erwartungen oder Normen, die "die Gesellschaft" an Personen bestimmten Alters stellt. Und mit "die Gesellschaft" meine ich durchaus mich. Zum Beispiel, als die M.eistgeliebte Nichte gestern ein gestreiftes Shirt aus dem Tauschregal zog, das mir auch gut gefallen hatte, mir aber zu bauchfrei war. An ihr konnte ich es mir gut vorstellen. Dabei mag ich meinen Bauch, die M.eistgeliebte Nichte und ich sind ähnlich groß und ähnlich gebaut - aber für diese Art von bauchfrei fühle ich mich zu alt. Geht mir inzwischen genauso bei einer gewissen Kürze von Miniröcken und Rückenausschnitten.

Aber auch die prägende Erfahrung, die ich während meiner Auszeit machte, dass es nämlich irgendwie knirscht und stört, dass ich mitten im Erwerbsarbeitsalter monatelang nicht arbeitete und nicht einmal ständig zuhause war, zeigt doch eine bestimmte gesellschaftliche Erwartung an Menschen eines solchen Alters. 

Auch ähnlich: Als ich von Bekannten hörte, dass sie kurz vor der Rente ein neues Leben in einem anderen Land anfangen wollten, zu dem sie vorher gar keinen Bezug hatten, ertappte ich mich bei dem Gedanken, warum die sich den Stress und die Arbeit "in dem Alter" noch antun wollen.

Welche Erwartungen werden sich in Zukunft an mich stellen? Werde ich die erfüllen wollen? Oder will ich aus der Reihe tanzen und damit auch anecken, vielleicht nicht einmal unberechtigt? (Sind diese Gedanken schon Midlife crisis?)

Nach diesem philosophischen Exkurs zurück zum Geschehen, denn heute musste ja noch etwas passieren: Richtig, es war ja heiliger Trainingsdienstag. Mir schoß kurz der Gedanke durch den Kopf, zu schwänzen, aber dann siegte doch die Disziplin. Ich war ja schließlich nicht krank. Und sobald wir losgelaufen waren, war ich nicht mehr müde - ich wäre sogar gerne 15km gelaufen, aber meine beiden Begleiter blieben nach 13 einfach stehen und ließen sich nicht mehr zum Weiterlaufen animieren. Und alleine zwei weitere Kilometer dranzuhängen, war mir dann doch zu blöd. Wahrscheinlich war es gut, das Laufen nicht ausgereizt zu haben, denn ich probierte heute die Schuhe des Prinzen aus, die ihm zu eng sind, und musste feststellen: Mir taugen sie auch nicht.

Schon beim Türaufschließen roch ich voller Begeisterung, dass der Prinz Abendessen gekocht hatte. Es gab weltbeste Spaghetti Bolognese vorm Kaminfeuer, das auch sehr nötig war, denn mir wurde den ganzen Abend nicht mehr warm. Aber schön satt wurde ich.

***

Gelesen:

Eugen Ruge: Pompeji oder Die fünf Reden des Jowna. Ich hatte das e-book auf eine Empfehlung der N. für meine Pompeji-Reise letztes Jahr in der Bücherei vorgemerkt, und letzten Monat war es endlich frei geworden. Ich lud es herunter und vergaß es erst einmal, mit dem Resultat, dass ich es erst vier Tage vor Abgabe wiederentdeckte und in vier Tagen lesen musste. Challenge accepted - war eigentlich gar nicht so schlecht, dass ich zum Lesen gezwungen war, denn in letzter Zeit brauche ich lange für meine Bücher. Meist viel länger als eine Woche, was bisher so mein Standard war.
Ich freue mich, dass ich das Buch nicht vergessen habe, denn es hat mich ausgesprochen gut unterhalten. Neben dem wunderbaren Pompeji-Buch von Mary Beard, auf die sich Ruge übrigens im Nachwort bezieht, lässt der Roman die Stadt richtig lebendig werden. Der Jowna vom Titel oder Josse, wie er genannt wird, ist ein junger Taugenichts und Schlawiner, der sich vom Straßenbandenführer bis zum Geliebten der einflussreichsten Frau Pompejis hochtrickst. Er benimmt sich dabei genauso rückgratlos wie die Politiker der Stadt und schlägt die vielen Philosophen mit ihren eigenen Taschenspielertricks. Im Hintergrund der Erzählung schlummert der Vulkan, und dass sich die Bewohner:innen der Stadt bis zum letzten Kapitel streiten, ob es Vulkane überhaupt gibt, ist natürlich witzig vor dem Hintergrund, dass wir Pompeji nur wegen des Vulkanausbruches kennen. 

Ruge vermischt in seinem Roman historische Tatsachen und Erfindungen, aber es machte mir großen Spaß, die beschriebenen Häuser und Personen in Mary Beards Buch im Stadtplan nachzuschlagen und zum Teil konnte ich mich an die beschriebenen Gebäude noch gut erinnern. Hat mir Lust gemacht, Pompeji noch einmal zu besuchen!

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